Linksteuer und Uploadfilter können nicht funktionieren

Ich habe langsam den Eindruck, dass nicht mehr wirklich viele Menschen wissen, dass das Internet auf den Prinzipien der Offenheit, der Durchschaubarkeit und der Zugänglichkeit funktioniert. Es wird gar zu sehr als gigantische Werbeplattform missverstanden. Dabei folgt die Technik nach wie vor bestimmten Regeln, die man nicht so einfach per Gesetz aushebeln kann.

Technik ist ja immer eine recht sperrige Angelegenheit. Das geht bei der Kaffeemaschine los, die inzwischen mit einem ziemlichen Wälzer von Bedienungshandbuch daherkommt und ist beim Computer noch lange nicht zu Ende. Werfen wir also einfach mal einen etwas laienhaften Blick auf das, was das Internet als Technik so ist und wofür es einst gedacht war:

Der Ursprung geht zurück auf das ARPA-Net, das in den 60er Jahren vom US-amerikanischen Verteidigungsministerium entwickelt wurde. Damals ging es darum, militärische Daten bestmöglich zu schützen und so wurde die Idee geboren, ein dezentrales EDV-Netzwerk zu schaffen, in dem Daten paketweise übertragen werden konnten.

Aus dieser Idee heraus wurde das ARPA-Netz geschaffen, in dem Ende 1969 vier Rechner in einem dezentralen Netzwerk verbunden waren.

Aus dem rein militärischen Netzwerk wuchs in den 70er Jahren die Vernetzung von wissenschaftlichen Einrichtungen über das ARPA-Netz. So konnten Forschungsprojekte über große Entfernungen gemeinsam durchgeführt werden, ohne dass Unterlagen verschickt werden oder Menschen durch die Weltgeschichte reisen mussten. Es war eine Zeit, in der der Austausch wissenschaftlicher Daten viel schneller und einfacher wurde, man konnte die Forschungsergebnisse anderer Einrichtungen in die eigene Forschung mit einbeziehen, was große Vorteile mit sich brachte.

Das ist der Grund für die sehr offene Architektur des Internet, wie wir es heute kennen. Das Betriebssystem des eigenen Computers spielt keine Rolle, die meisten Dateiformate sind plattformübergreifend (HTML ist das wichtigste, aber auch PDF und die verschiedenen Grafikformate können auf praktisch allen Geräten angezeigt werden). Egal, wo in der Welt man ist, die Information ist verfügbar.

Nachdem die Basis wissenschaftliche Arbeit ist, sind Verweise sehr wichtig. Wissenschaftliche Arbeiten, die seriös zu nennen sind, stehen meistens nicht allein, sondern beziehen sich oft genug auf die Arbeit anderer Wissenschaftler – und es wäre sehr schlechter Stil, nicht darauf hinzuweisen. Insofern strotzen wissenschaftliche Arbeiten üblicherweise vor Fußnoten und Verweisen auf andere Arbeiten.

Um eben das Nachlesen dessen, worauf verwiesen wird, zu erleichtern, gibt es die Links. Durch simples Anklicken kann man schnell und einfach den Bezug nachlesen, ohne sich mühselig durch Bücher quälen zu müssen, die in den Bibliotheken oft erst angefordert werden müssen.

Von dieser Warte aus gesehen ist das Internet natürlich eine ausgezeichnete Technik für jeden, der lernen oder forschen will und den Dingen auf den Grund gehen möchte. Der Grundsatz lautete „sharing is caring“, Teilen ist Fürsorge. Das gemeinsame Nutzen von Daten und damit von Wissen stand im Vordergrund, jeder hatte Zugriff auf eine fast unendliche Wissensquelle.

Um diese Wissensquelle sinnvoll nutzen zu können, braucht man natürlich auch die Möglichkeit, sie zu durchsuchen. Die vorhandenen Daten müssen sinnvoll katalogisiert und verschlagwortet werden und damit man eine Vorstellung davon hat, ob das, was man gefunden hat, auch das ist, was man sucht, braucht man einen kurzen Textausschnitt. Dafür gab und gibt es Suchmaschinen – die bekannteste ist Google.

Würden wir diese Technik an den Schulen nutzen, könnten wir alle unglaublich davon profitieren. Aber schon an dieser Stelle fängt das Drama der heutigen Zeit an:

In den letzten ungefähr 15 Jahren hat sich die Nutzung des World Wide Web (WWW), das sich aus diesen Vernetzungstechniken aus den 60er und 70er Jahren fast von selbst ergeben hat, rasant entwickelt. Gerade Unternehmen haben erkannt, welchen vertrieblichen Nutzen ein Angebot im WWW haben kann und es haben sich alle möglichen Vertriebsformen entwickelt. Manche davon kennen und nutzen wir alle: Amazon, eBay, die Onlineshops größerer und kleinerer Handelsunternehmen. Sie alle profitieren gewaltig vom Internet.

Diejenigen, die diese Entwicklung komplett verschlafen haben, sind Verlage und Unterhaltungsindustrie. Die Unternehmen aus dieser Sparte versuchen seit Jahren, die Entwicklung einzudämmen, die sie so viel kostet. Links und vor allem die Möglichkeiten für Downloads wurden plötzlich zu einer Gefahr, zu einem Fluch anstatt eines Segens. Die Vertriebsmodelle „CD“, „DVD“, „Zeitung“, „Zeitschrift“ und „Buch“, die noch vor 15 Jahren wirklich lukrativ waren, brachen in sich zusammen.

Nachdem es über einen viel zu langen Zeitraum keine Möglichkeiten gab, für Downloads eine Zahlung zu leisten, bürgerte sich Ende der 90er das Prinzip der Raubkopie ein, was der Einfachheit halber von den betroffenen Unternehmen als „Piraterie“ bezeichnet wurde – das ist übrigens der Ursprung des Namens der Piratenpartei, aber das nur am Rande.

Wer also am wenigsten von der Technik profitiert, die das WWW zur Verfügung stellt, sind Verlage und Unterhaltungsindustrie, die es versäumt haben, ihre Vertriebsmodelle dem Internet anzupassen. Buchverlage und Unterhaltungsindustrie haben sich inzwischen von dem Schreck erholt und bieten eBooks, Streams und Downloads selbst oder über entsprechende Anbieter an.

Wer die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt hat, das sind die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, die sich ja nicht nur über den Verkauf ihrer Produkte finanzieren, sondern schon immer auch über Anzeigen. Das tun sie auch in ihren online-Angeboten, auf teils recht störende Art. Bei vielen dieser Angebote hat man den Eindruck, dass die Information, die der angebotene Artikel liefert, Nebensache ist – das Wichtigste ist die Werbung. Die Werbeeinblendungen werden immer größer, immer bunter, immer aufmerksamkeitsheischender.

Das hat zur Entwicklung einer weiteren Technik geführt: Den Adblockern. Das sind meist Zusatzprogramme (Add-ons) zu Browsern, die die Anzeige der wirklich störenden Werbung verhindern und dafür sorgen, dass der Besucher sich auf den eigentlichen Grund für den Besuch auf der Website des Anbieters nicht konzentrieren kann: Das Informationsangebot, sprich: den Artikel. Das führt wiederum zu einem Einbruch der Werbeeinnahmen aus dem Internetangebot und irgendwoher muss das Geld ja kommen, mit dem man Journalisten bezahlt und die Server finanziert, auf denen das alles läuft. Jemand muss bezahlen.

Dank des schläfrigen Umgangs mit der technischen Entwicklung wird es schwierig, den jeweiligen Leser dafür bezahlen zu lassen. Wer etwas jahrelang gratis frei Haus bekam, der wird schlicht wegbleiben, wenn er neuerdings bezahlen muss. Damit sinken die „Klickzahlen“ noch weiter, denn auch bei Bezahlung muss etwas Werbung für die Finanzierung sein (und das ist ja auch ok, solange sie nicht blinkt und zappelt). Wer also profitiert denn noch von den Angeboten?

Und da ist man auf die Suchmaschinen verfallen. Suchmaschinen finanzieren sich selbstverständlich ebenfalls durch Werbung. Gegen Bezahlung kann man das eigene Angebot ganz nach oben in die Suchergebnisse schieben lassen (das wird dann auch als Anzeige gekennzeichnet). Aber Suchmaschinen – und gerade Google – durchsuchen natürlich auch gezielt Nachrichtenportale und geben Suchergebnisse mit kurzen Textausschnitten zurück. Das wird dann so gewertet, als würde der Suchmaschinenbetreiber sein Geld mit den Suchergebnissen verdienen, die da zurückgegeben werden. Das ist zwar so nicht ganz richtig, bietet aber eine schöne Grundlage, Politikern einzureden, dass die Suchmaschinen (und, weil’s gerecht ist, gleich noch jeder andere, der einen Link setzt) die Verlage an ihrem Gewinn beteiligen müssten.

So wird aus dem ursprünglichen Verweis auf eine Informationsquelle eine Handel sware, um die seit ein paar Jahren erbittert gestritten wird. Und wenn wir Pech haben, wird bald jeder Blogger, der sich in einem seiner Blogartikel auf ein Onlineangebot aus einem Verlagshaus bezieht, dafür bezahlen müssen, dass er dorthin verlinkt. Ein Screenshot aus dem Onlineangebot kann dann genauso kostenpflichtig werden.

Große Unternehmen wie Google wird das nicht treffen. Die werden schlicht eine Lizenzpauschale aushandeln, einen verhältnismäßig geringen Obulus bezahlen und dann weitermachen wie bisher. Was hier bedroht ist, ist die Meinungsvielfalt im Internet.

Blogs werden verschwinden, weil die Kosten für den Betrieb zu hoch sind – oder sie werden auf Quellenangaben verzichten, womit dann die Verifizierung nicht mehr möglich ist und die Glaubwürdigkeit leidet. Viel Kreativität wird verloren gehen, auch dadurch, dass alles, was ins Internet hochgeladen wird, verifiziert und gefiltert wird.

Das Gesetz, das da auf dem Weg ist, ist der Versuch, uns die Teilhabe zu nehmen, unsere Stimme zu dämpfen und uns zu den Konsumenten zu machen, die wir waren, als wir noch auf das Schreiben von Leserbriefen angewiesen waren. Ich denke, wir sollten uns dagegen wehren. Wir sollten dagegen aufstehen, unsere Stimme erheben und Politikern wie auch Verlagen deutlich zeigen, dass wir aus dieser Rolle herausgewachsen sind.

Die Menschen, die das Internet bestimmungsgemäß nutzen, sind interessiert an Information, an Austausch und an Kreativität. Sie sind nicht reine Konsumenten und sie wollen sich auch nicht zu reinen Social-Media-Klickschlampen machen lassen. Lasst uns gegen diesen hanebüchenen Unfug angehen, demonstrieren und aufklären, so gut wir können!

Quelle für die einführenden Absätze: https://wiki.selfhtml.org/wiki/Grundlagen/Einstieg/Entstehung_des_Internet

Rede zum Dreikönigstreffen 2018

Ein gutes und gesundes neues Jahr wünsche ich euch und dem Landesverband Bayern alles Gute zum Geburtstag. Auch wenn wir leider zum Feiern nicht viel Anlass haben.

Wir haben ein Jahr mit sehr enttäuschenden Wahlergebnissen hinter uns. Das könnte jetzt Anlass sein, aufzugeben und zu sagen, dass unsere Inhalte offensichtlich uninteressant sind. Aber das halte ich für den falschen Weg, auch wenn einen angesichts der vermehrten Austritte schon die Verzweiflung packen kann. Doch was können wir tun? Wie können wir uns wieder für Wähler attraktiv machen?

Warum sollen die Leute die PIRATEN wählen?

Die Sozialpolitik ist es nicht, so hart dieser Brocken zu schlucken ist. Und auch nicht die Außenpolitik, nicht die Gesundheits- und ebenso wenig die Drogenpolitik. Alle von uns beackerten Politikfelder haben natürlich ihre Anhänger und die Bearbeitung und Erarbeitung von Programm in diesen Feldern hat ihre Berechtigung. Aber sie bringen uns nur minimale Zustimmung ein. Wir können letztlich so gut wie nichts bewegen, wenn wir diese Themen in den Vordergrund stellen. Was also tun?

Darüber habe ich mich Neujahr mit meiner Schwester intensiv unterhalten. Die hatte ein interessantes Erlebnis: Sie geht regelmäßig beim Edeka einkaufen und plötzlich bekommt sie von Google Vorschläge, was sie denn noch so beim Edeka kaufen könnte. Das hat sie nachdenklich gemacht – obwohl sie Mitglied der CSU ist und die Arbeit dieser Partei für Bayern naturgemäß „gar nicht mal so schlecht“ findet. Sie fragte mich, wohin das denn führen solle.

Was, wenn nicht nur die Tatsache, dass sie bei Edeka einkauft, registriert wird, sondern auch das, was sie einkauft? Was, wenn diese Daten an Dritte, beispielsweise an ihre Krankenkasse oder andere Versicherungen gehen? Was, wenn ein Diabetiker eine Tafel Schokolade kauft und dann von seiner Krankenkasse einen freundlichen Brief bekommt, dass er sich sein Insulin demnächst selbst zahlen darf?

Was, wenn das alles, was man da kauft, weitergemeldet wird an Krankenkassen, Rentenversicherung, Lebensversicherung, den Arbeitgeber? Was, wenn jemand meine Payback-Karte oder meine Kundenkarte mopst und jede Woche fünf Flaschen Wodka damit kauft? Wer erfährt dann davon? Und welche Konsequenzen kann das für mich haben?

Thema Vorratsdatenspeicherung:

Durch die Presse geisterte neulich der Bericht des Interception of Communications Commissioner Stanley Burton, der die überwachenden Behörden Großbritanniens bezüglich der Nutzung von auf Vorrat gespeicherten Daten kontrolliert.

Zu viele Tippfehler führen dazu, dass gar zu oft vollkommen Unschuldige verhaftet werden, weil sie angeblich Kinderpornographie verbreiten, weil häufig Tippfehler beim Abschreiben von IP-Adressen vorkommen. Da wurde ein Ehepaar verhaftet, die Arbeitgeber informiert, die Kinder in staatliche Obhut genommen – dabei war da überhaupt nichts. Nichts! Aber der Ruf der Eltern ist dahin, die Kinder sind einerseits traumatisiert, andererseits stigmatisiert. Ist das der Preis, den man fürs Verbrecherfangen in Zukunft zu zahlen hat?

Welche Freiheit haben wir denn, wenn wir aufpassen müssen, mit wem wir kommunizieren, was wir einkaufen, wie wir uns verhalten? Was für eine Freiheit soll das sein?

Unser Leben wird Stück für Stück eingeschränkt, Menschen verkommen zu einer Art Nutzvieh derer, die daran verdienen. So, wie eine Milchkuh gefälligst gesund zu sein, regelmäßig zu kalben und gefälligst ihre siebentausend Kilogramm Milch zu produzieren hat, damit sie gefüttert und gehegt wird. Anderenfalls geht sie halt zum Abdecker. Die Politik schafft die Möglichkeit, die Wirtschaft nutzt sie – und wir haben am Ende das Nachsehen!
Wie lange wird es wohl dauern, bis wir in einer totalüberwachten Welt leben, in der unter Zuhilfenahme moderner Technik darauf geachtet wird, wie wir uns ernähren, wieviel wir uns bewegen, was wir für unsere Gesundheit tun – und anhand dieser Daten entschieden wird, wem es gut geht, wer sich ein Recht auf Erholung, Entspannung, Abwechslung und gute medizinische Behandlung verdient hat und wer auf einen Minimumaufwand zurückgefahren wird, weil es sich nicht rechnet, diesen Menschen dabei zu helfen, wieder auf die Füße zu kommen?

Man kann mit Daten so viel Gutes tun. Man kann tatsächlich Menschen dabei helfen, mit ihrem Einkommen besser zu haushalten, man kann ihnen helfen, sich um ihre Gesundheit zu kümmern, man kann ihnen helfen, sich gesund zu ernähren. Aber: man kann eben auch genau diese Daten benutzen, um Menschen zu gängeln, einzuschränken, einzupferchen und niederzudrücken. Was wird wohl geschehen?

Das, Herrschaften, ist unser Fachgebiet. Das ist es, wo wir selbst bei CSU-Wählern hohe Kompetenz zugesprochen bekommen. Das ist es, worum wir uns kümmern müssen, sollen und werden. Das ist es, wofür die Piratenpartei gegründet wurde und das ist es, wofür so sehr viele von uns eingetreten sind.

Wir sind die, die diese Sachverhalte immer und immer wieder in den Fokus rücken müssen, wenn die Damen und Herren Politiker Altersarmut und Pflegenotstand für ihre Zwecke missbrauchen und als willkommene Nebelkerzen in die Nachrichtenlandschaft werfen, damit wir nicht wahrnehmen, was im Hintergrund passiert.

Es wird also sehr stark darauf ankommen, den Nutzen aufzuzeigen, den der digitale Wandel allen Menschen bringt, während wir den Schaden abwenden müssen, den er verursachen kann. Die meisten Menschen sind – auch dank der wirklich mangelhaften Bildung in diesem Bereich – dem, was da kommt, völlig ausgeliefert.

Wir sind die, die die Überwacher überwachen müssen. Wir sind die, die genau diese wirklich aktuellen Probleme aufzeigen müssen. Wir sind die, die genau an dieser Stelle laut und deutlich sein müssen.

Wir sind aber auch die, die die Möglichkeiten zeigen müssen. Neue Schulfächer (Informatik – Medienkompetenz – Datenschutz) müssen dringend eingeführt werden. Moderne Unterrichtsformen wie Online-Kurse und E-Learning müssen genutzt werden, ebenso wie OER (Open Educational Resources) und freie Software. Die Möglichkeiten des nutzbringenden Einsatzes im Gesundheitswesen, zum Beispiel mit Online-Sprechstunden oder auch Pflegerobotern, die Pflegekräfte entlasten können – es gibt so vieles, was wirklich erfolgversprechend eingesetzt werden kann und muss!

Deswegen sind wir die, die Lösungen anbieten können und müssen!

Wir müssen nicht jede Woche drei Pressemeldungen raushauen. Es reicht, wenn wir jeden Monat drei Pressemeldungen raushauen – kurz, knackig und genau auf diese Thematik bezogen. Fachlich korrekt, gut formuliert. Wir sollten zusehen, dass wir genau zu diesen Themen dann noch Blogbeiträge nachschieben, die ausführlicher sind und erklären.

Was das Programmatische anbelangt: Klar brauchen wir ein ordentliches Programm dazu. Irgendwann werden wir wieder in Parlamenten sitzen, auch wenn das weder heute noch morgen passiert. Deswegen haben wir für die übrige Programmentwicklung, -erweiterung und -anpassung auch tatsächlich Zeit und können sehr sorgfältig und ohne Hektik und Aktionismus daran arbeiten.

Aber: Internet, Technik, Überwachung, Daten – das muss da sein, das muss sitzen und das muss auf allen Kanälen in die Welt geblasen werden. Ab sofort und unbedingt! Sonst vertun wir die nächste Chance – und brechen der Piratenpartei eventuell vollständig das Genick. Es ist unsere Entscheidung. Wir müssen uns fokussieren. Das müssen wir im Verlauf dieses Jahres hinkriegen.

Die Aufzeichnung der Reden vom Dreikönigstreffen findet sich auf  Youtube.

Reden wir über Grundrechte

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sind verschiedene Grundrechte verankert. Dazu gehören die in diesem Zusammenhang wichtigen Rechte auf

Es gibt einen weiteren Rechtsgrundsatz, der in einer Demokratie grundlegend wichtig ist, weil es ohne diesen Rechtsgrundsatz keinen Rechtsstaat geben kann: Die Unschuldsvermutung.

Diese Rechte und Prinzipien wischt der Innenminister der Bundesrepublik Deutschland, Herr Dr. Hans-Peter Friedrich, jetzt zugunsten eines von ihm so genannten „Supergrundrechts“ vom Tisch – nämlich des „Supergrundrechts auf Sicherheit“, wie die „Welt“ berichtet[1].

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Ein Doktor der Rechtswissenschaften entblödet sich nicht, wahrhaftig ein „Supergrundrecht“ zu definieren, das er über die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland definierten Grundrechte stellt. Von eigenen Gnaden, wie es scheint.

Es gibt kein Supergrundrecht. Es gibt kein Recht, das über dem Grundgesetz steht. Herr Dr. Friedrich stellt mit dieser Aussage Geheimdienste über das Recht, das uns allen im Grundgesetz zugesichert wird. Das ist eine derartige Ungeheuerlichkeit, dass es mir den Atem verschlagen hat!

Wohin ein Superminister ein Land mit solchen Superrechten führen kann, haben gerade wir in Deutschland gesehen. Gerade die Deutschen sollten wissen, wie gefährlich das Spiel ist, das unser Bundesinnenminister hier spielt, wie schnell dieses „Supergrundrecht“ dazu führen kann, dass Millionen von Menschen in einer Art riesigem Käfig gefangen sind, wie leicht es passieren kann, dass dieses „Supergrundrecht“ dafür benutzt wird, bestimmten Menschen, die nichts tun als ihre Grundrechte – beispielsweise auf freie Religionsausübung – wahrnehmen, die Freiheit, die Selbstbestimmung, ja sogar das Leben zu nehmen. Das können gerade wir in Deutschland nicht wollen!

Es gibt kein „Supergrundrecht“, genausowenig wie es „Superstars“, „Supermodels“ oder „Superminister“ gibt. Die Vorsilbe „Super-“ soll den Eindruck erwecken, dass etwas ganz besonders groß oder wichtig sei. Es gibt nichts, was in der Gesellschaft größer und wichtiger ist als die Grundrechte jedes einzelnen Bürgers!

Ich fordere Herrn Dr. Friedrich auf, endlich zu begreifen, dass er für die Gesellschaft nichts anderes ist als ein Primus inter Pares, einer, der durch Wahl und Auftrag der Gesellschaft dient und ihre Interessen zu schützen hat, indem er dafür sorgt, dass jeder Mensch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland die Grundrechte gewährt bekommt und dass Ermittlungsbehörden – auch Geheimdienste – sich an den gesetzlichen Rahmen halten, dem wir alle unterliegen. Das ist die ureigene Aufgabe des Bundesinnenministers, nichts anderes.

Wenn nun ein anderer Staat hingeht und Menschen, die sich im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, massenhaft und anlaßlos ausspioniert, dann erwarte ich vom Bundesinnenminister, von der Kanzlerin und vom Bundesaußenminister, dass das zumindest entsprechend gerügt wird und für Abhilfe gesorgt wird, selbst wenn es sich bei diesem anderen Staat um die Vereinigten Staaten von Amerika handelt. Verhandlungen über erweiterte Zusammenarbeit und die Definition eines „Supergrundrechts“ sind in keinem Fall eine angemessene Reaktion eines souveränen Staates.

[1] Bedauerlicherweise gehört die „Welt“ zu den Verlagen, die das Leistungsschutzrecht unterstützen, weswegen hier nicht direkt verlinkt werden kann. Für diejenigen, die den Artikel gern lesen möchten, kommt der URL hier zum Kopieren: http://www.welt.de/politik/deutschland/article118110002/Friedrich-erklaert-Sicherheit-zum-Supergrundrecht.html

Reden wir über Edward Snowden

Edward Snowden hat für die NSA gearbeitet. Er hat dort Dinge getan, die er mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren konnte. Er wollte, dass die Welt erfährt, was da passiert, in was für einem unglaublichen Umfang Menschen überwacht werden. Deswegen hat er seine Heimat, seine Familie, sein Gehalt – seine gesamte Existenz aufgegeben. Das macht ihn zum Feind der Behörde – und auch zum Feind der westlichen Regierungen, deren Glaubwürdigkeit durch seine Enthüllungen bis ins Mark erschüttert wird.

Nun passiert, was immer passiert: Es werden Nebelkerzen geworfen. Der Versuch, die Glaubwürdigkeit dieses Mannes zu erschüttern, ist in vollem Gange und zeigt auch schon erste Wirkung. Ergebnis sind Äußerungen wie beispielsweise die von Elmar Theveßen bei Lanz, ich zitiere:

Mein Urteil über Ed Snowden ist noch nicht gefallen, weil wir wissen noch nicht genug, wir wissen nicht, warum es so einfach für ihn war. Ich meine, in einer Abhöreinrichtung einen USB-Stick reinzustecken, alles runterzuladen, mitzunehmen, zu verschwinden, zu sagen, er hat jetzt Urlaub und keiner fragt danach, keiner prüft, was da runtergeladen worden ist, das klingt mir alles noch sehr undurchschaubar und warum er dann eben erstmal in Hongkong war und dann jetzt in Rußland. […]“

Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass er sich danach in dem Sinn geäußert hat, dass die daraus folgende Debatte seiner Ansicht nach sehr wichtig sei.

Zurück zu dem, was er über Edward Snowden sagte: Das scheint mir das Ergebnis einer kleinen Kampagne zu sein, die relativ kurz nach den Sensationsmeldungen kam und Snowden einerseits der Geltungssucht bezichtigte, andererseits seine Motive in Zweifel zog. Jochen Busse hat in eben derselben Diskussion darauf folgendes erwidert:

[…] Warum soll nicht – und da weiss ich doch, wenn ich schon, wenn wir uns darüber unterhalten, merke ich doch, wie mißtrauisch wir schon sind. Warum soll nicht einer mit 30 Jahren ein Gewissen haben? Warum gehen wir hin und sagen: Was ist mit dem? Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Wieso ist das ein Held? Oder wieso ist das kein Held? Also wir haben jetzt schon über die Jahre so ein Mißtrauen, wir trauen uns überhaupt nicht mehr. Und das ist das Bittere. […]

Ja. Wieso sollte er das nicht getan haben, weil er ein Gewissen hat? Welche anderen Beweggründe sollte er sonst gehabt haben?

Herr Theveßen, für Fachleute ist so etwas zwar nicht unbedingt trivial – aber machbar. Grundsätzlich gilt für Daten dasselbe wie für alle Güter: Wo etwas ist, kann es weggenommen werden. Wo eine Tür ist, kann sie geöffnet werden. Die Frage ist nicht das „ob“, sondern das „wie“ – das kann ihnen jeder Einbrecher, ja sogar jeder Polizist sagen.

Ich gehe davon aus, dass hier ein Mensch ist, der ein politisches Gewissen hat. Der es nicht mehr vor sich verantworten konnte, diese Machenschaften mitzumachen, zu unterstützen und geheim zu halten. Ein solcher Mensch ist übrigens ebenfalls ein im klassischen Sinn politischer Verfolgter und hat somit jedes Recht auf politisches Asyl. Zum Beispiel in Deutschland.

Dass ihm das verweigert wird, zeugt einerseits von der Abhängigkeit, in der sich unsere Regierenden gegenüber den USA befinden, andererseits von der Furcht, was da noch so alles ans Licht der Öffentlichkeit kommen könnte.

Ich möchte, dass Edward Snowden in Deutschland Asyl bekommen kann. Ich möchte, dass die Zusammenarbeit der Geheimdienste untereinander aufgedeckt wird. Ich möchte, dass das gesamte Ausmaß dieser Ungeheuerlichkeit bekannt wird – und ich möchte, dass das aufhört.

Am 13. Juli um 15:00 Uhr demonstrieren wir in Nürnberg. Wir möchten einen anständigen Whistleblowerschutz, wir möchten politisches Asyl für Edward Snowden. Ständig aktualisierte Informationen gibt es auf facebook. Ich bitte alle, die dies lesen: Kommt hin. Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen geschützt werden, die uns darüber informieren, was – angeblich zu unserem Besten – gespeichert und durchsucht wird. Unbedingt!

Weiterführende Links:

Markus Lanz vom 02.07.2013
Stern: Die gefährlichste E-Mail der Welt (Zum Verständnis der Funktion von Suchalgorithmen)
Spiegel Online: Anonymisiert surfen im Web
Stern: Deutschland verweigert Snowden Asyl

Reden wir über Sicherheit

Normalerweise rede ich über Bildung, vor allem über Schule und was dort geändert gehört. Aber PRISM und Tempora sind Anlaß genug, um auch einmal über den politischen Tellerrand hinwegzublicken.

Sicherheit ist so etwas Wunderschönes. Sicherheit ist warm, wohlig, kuschelig. Sicherheit ist das, was wir alle uns wünschen, jeden Tag, zu jeder Stunde, Tag und Nacht. Unsere Kinder sollen sicher zur Schule kommen, wir möchten sicher zur Arbeit kommen und danach wollen wir alle auch sicher wieder zuhause ankommen. Sicher möchten wir sein vor bösen Menschen, die uns bedrohen, Leib und Leben in Gefahr bringen, in unsere Häuser und Wohnungen einbrechen – und auch vor denen, die Anschläge verüben, weil sie das Recht für sich in Anspruch nehmen, zu wissen, was gut für uns alle ist und auf gewalttätige Weise der Gesellschaft ihren politischen oder religiösen Stempel aufdrücken wollen. Sicher wollen wir sein vor Amokläufern, die wahllos Menschen verletzen und töten und Sicherheit brauchen wir vor Psychopathen, die in ihrem Wahn gesellschaftsschädigende Dinge tun. Davor sicher zu sein gibt ein gutes Gefühl.

Was aber, wenn wir plötzlich feststellen müssen, dass wir alle unter dem Verdacht stehen, gewalttätige Verbrecher, Attentäter oder Psychopathen zu sein? Was, wenn die Menschen, denen wir unser Vertrauen ausgesprochen haben, indem wir sie zu Volksvertretern gemacht haben, uns plötzlich ihr Vertrauen entziehen? Genau das passiert gerade.

Jeder, der telefoniert oder das Internet nutzt (oder gar das Internet zum Telefonieren nutzt!), ist verdächtig. Im Moment sind wir „nur“ den USA und Großbritannien verdächtig, aber hinter deren Projekten mit den wohlklingenden Namen „PRISM“ und „Tempora“ lauert schon die europäische Überwachungskrake INDECT. Was das bedeutet, ist den wenigsten Menschen klar – am ehesten wohl noch denjenigen, die die Vorgehensweisen des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit am eigenen Leibe erfahren haben. Ein guter Anfang, um sich ein Bild davon zu machen, ist die Geschichte von Christoph Schnauss, die er auf seiner Website erzählt.

Macht die Kontrolle der Internetnutzung und des Telefonverkehrs eines jeden Nutzers nun unsere Welt sicherer? Manch einer scheint zu denken, dass dem so sei, wie man immer wieder einmal in Kommentaren lesen kann wie dem, den ich auf facebook fand:

Auch wenn es nicht die feine Art ist abgelauscht zu werden ist mir diese westliche Art lieber als wenn ich grad im Cafe sitze und son Selbstmorddödel reinkommt und mir die Beine abreisst durch seine Bombe. Früher wars halt schöner da wurde es bestimmt auch gemacht(wahrscheinlich) nur wusste es keiner. :-)

Aber man sollte im Auge behalten, dass die Verarbeitung der Menge an Daten, die bei dieser generellen Überwachung des gesamten Datenverkehrs nur mit Methoden möglich ist, wie die, die von Suchmaschinen angewandt werden, Tücken hat. Da werden bestimmte Schlagwörter genutzt, um die anfallenden Daten nach Verdächtigem zu durchsuchen. Jeder, der jemals Google benutzte oder eine Stellenbörse, weiss, wie fehleranfällig diese Vorgehensweise ist.

Und so kann es dem Internetnutzer sehr schnell passieren, dass er, anstatt davor geschützt zu werden, dass „son Selbstmorddödel reinkommt und mir die Beine abreisst“, er selbst bezichtigt wird, ein potentieller Selbstmorddödel zu sein, wenn er für den Rezeptvorschlag, den seinem Freund für eine Geburtstagstorte mailt, die falsche Wortwahl trifft – beispielsweise „das ist eine richtige Kalorienbombe“. Er kann sich in kürzester Zeit in der Situation wiederfinden, dass er von offizieller Seite befragt wird, warum er in seinen Mails, auf Skype, in einem Forum oder in sonstigen sozialen Netzwerken von Bomben redet. Oder von irgendwelchen Substanzen, die zum Bau von Bomben taugen.

Man sollte auch im Auge behalten, dass in unserer leistungsbezogenen Welt Erfolgsquoten wichtig sind. Das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft erlaubt den Zugriff auf Passwörter zu E-Mail-Konten und sozialen Netzwerken schon bei Ordnungswidrigkeiten. Und so wäre es möglich, dass unter Erfolgsdruck geratene Ermittler mit diesen Möglichkeiten Ermittlungserfolge erzeugen. Sicher ist das strafbar; anderseits sind auch Ermittler nur Menschen und reagieren auf Druck eben auch menschlich.

Vorstellbar wäre auch (und so etwas ist durchaus schon vorgekommen), dass Ermittler aus ihrer Überzeugung heraus, einen Schuldigen vor sich zu haben, für das Beweismaterial sorgen, das benötigt wird, um den Schuldigen dingfest zu machen. Mit der Bestandsdatenauskunft ist das ein Kinderspiel.

Man verstehe mich bitte nicht falsch: Ich gehe nicht davon aus, dass unsere Ermittlungsbeamten generell zu solchen Mitteln greifen würden. Aber es ist durchaus schon vorgekommen, wenn auch in verschwindend geringer Zahl. Deswegen sollte man einerseits den Erfolgsdruck nicht erhöhen durch eine automatisierte Datensammlung, aus der alles Mögliche herausgelesen werden kann, wenn man es nur richtig anstellt und andererseits auch Möglichkeiten stark einschränken, eine Ermittlung aus der Überzeugung, die Täterschaft richtig erraten zu haben, aktiv in eben diese Richtung zu steuern.

Auch die Möglichkeit, dass auf diese Weise unbequemen und unliebsamen Meinungsäußerern beigekommen werden kann, darf man nicht übersehen. Mit den „richtigen“ Abfragemethoden und der „richtigen“ Auswertung kann man jeden Menschen aller möglichen Vorhaben beschuldigen.

Eine der wichtigsten Säulen unseres Rechtssystems ist die Unschuldsvermutung. Gegen Menschen, die keiner bösen Tat verdächtig sind, wird nicht ermittelt und jeder, der einer bösen Tat verdächtigt wird, hat als unschuldig zu gelten, bis die Schuld bewiesen ist. Und genau diese essentielle Säule unseres Rechtssystems wird jetzt ausgehölt, bis sie zusammenbricht. Was passiert, wenn plötzlich jeder verdächtig ist, wenn der Beschuldigte seine Unschuld beweisen muss und nicht der Ankläger die Schuld, das hat die Menschheit im Laufe ihrer Geschichte mehrfach deutlich gezeigt.

Die Werkzeuge, die derzeit zur Verfügung stehen, sind mächtig. Dem Einzelnen werden sie keine Sicherheit bringen, im Gegenteil. Dafür werden sie sukzessive die Prinzipien der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Informationsfreiheit, der Bildungsfreiheit – kurzum: des Menschenrechts auf Freiheit – aushebeln und uns, den Menschen, die in diesem Land leben, jede Freiheit nehmen.

Ich unterstelle denjenigen, die jetzt diese Methoden einführen und anwenden wollen, nicht, dass sie das zum Zweck der Freiheitsbeschneidung tun. Aber ich – und jeder, der im Geschichtsunterricht zumindest einigermaßen aufgepaßt hat – weiß, dass es nur einen echten Demagogen braucht, damit genau diese Gesetzgebung gegen das gesamte Volk, jeden einzelnen unbescholtenen Bürger benutzt werden kann. Sicherheit stelle ich mir anders vor.

Finden wir uns damit ab, dass es die totale Sicherheit nicht gibt. Das Leben ist lebensgefährlich. Verbrechen sind möglich und sie werden begangen. Das einzige, was uns hilft, sind Zivilcourage und Achtsamkeit zur Vorbeugung und sorgfältige Ermittlungsarbeit zur Aufklärung von Verbrechen. Computer können nicht leisten, was Menschen leisten können.

Also laßt uns auf die Straße gehen und laut werden! Laßt uns mitteilen, dass wir lieber mit der Möglichkeit leben, dass jemand eine Bombe legt als mit der Unfreiheit des Generalverdachts! Dieser Irrsinn muss ein Ende haben!