Welt-Diabetes-Tag – Tipps für einsame Diabetiker

Symbolbild: Auswahl an süßem Gebäck

Es ist so weit: Heute ist Welt-Diabetes-Tag. Ich habe Diabetes mellitus Typ 2 und bin ziemlich allein damit, insofern ist das eine gute Gelegenheit, ein paar Gedanken zum Thema niederzuschreiben.

Meine verstorbenen Verwandten hatten nicht viel zu vererben; Plattfüße, schlechte Zähne, krumme Wirbelsäule, Gicht, Diabetes. Nun, ich entstamme einer großzügigen Familie und habe in der Folge alles geerbt. Es gäbe theoretisch Schlimmeres, weniger gut Handhabbares. Heute reden wir mal über den Diabetes. Der ist einer meiner ältesten Bekannten, denn meine Großmutter mütterlicherseits hatte ihn. Zu meinen frühesten Erinnerungen gehört meine Oma, mit der ich abends vor dem Fernseher saß, während sie das Insulin in ihrem Spritzapparat (eine Art wiederverwendbarer Pen) aufzog und sich das Insulin in den Oberschenkel spritzte, der mit kleinen blauen Flecken vom Spritzen übersät war. Und ich weiß auch noch, wie sehr ich damals schon genau das nicht wollte.

Diabetes hatte lange Zeit den Ruf, nicht nur vermeidbar zu sein, sondern eine Erkrankung der Disziplinlosigkeit. In den Köpfen sehr vieler Menschen ist der Diabetiker jemand, der sich nicht beherrschen kann, der zu viel und falsch isst, der sozusagen selbst schuld ist. Wir Diabetiker brauchen grundsätzlich keine anderen Leute, um uns dahingehend Vorwürfe zu machen, das können wir problemlos selbst, denn Diabetiker haben ein drei- bis vierfach erhöhtes Risiko, an depressiven Störungen zu erkranken. Sind das nicht großartige Aussichten? Ja, fand ich auch.

Bei mir kam die Depression zuerst, das lag an sehr einschneidenden Ereignissen im Laufe meines Lebens. Der Diabetes kam dann so ungefähr 2015 dazu. Und, um ehrlich zu sein: Ich war beleidigt, sauer, traurig, hoffnungslos und sah mich mit blauen Flecken auf den Oberschenkeln vor dem Fernseher sitzen wie meine Oma. Ich bin heute noch nicht wirklich im Frieden mit dieser Stoffwechselerkrankung, aber die Selbstvorwürfe habe ich größtenteils überwunden.

Wenn ein Diabetes festgestellt wird, kommt hier in Deutschland eine Maschinerie in Gang: Die Krankenkasse macht Angebote, der behandelnde Arzt verordnet Medikamente, man bekommt Broschüren, ein Messgerät und Hilfen, um mit der Erkrankung umgehen zu lernen. Im Internet gibt es tonnenweise Information, es gibt Kochbücher, die zur Hälfte aus Information und zur anderen Hälfte aus Rezepten bestehen. Diabetes kommt um zu bleiben, der geht nicht weg. Mich hat das alles anfangs einigermaßen überwältigt, ich wusste gar nicht, worauf ich mich zuerst konzentrieren sollte.

Mein erster Rat an den geneigten Leser: Lassen Sie vorerst das Internet außen vor, vor allem wenn Sie mit dem Diabetes allein sind. Sicher, die Deutsche Diabetes Gesellschaft, die Deutsche Diabetes Hilfe, die Krankenkassen und auch das Bundesgesundheitsministerium bieten sehr gutes Informationsmaterial an, das macht am Anfang aber nur wuschig. Was für Sie jetzt, ganz am Anfang wichtig ist, ist ihr persönlicher Weg. Wenn Ihr Arzt oder Ihre Krankenkasse Ihnen eine Diabetikerschulung anbietet, dann nehmen Sie vorneweg erst einmal die in Anspruch.

Diabetikerschulungen haben mehrere Vorteile: Sie bekommen Information nicht nur darüber, was das jetzt eigentlich für eine Krankheit ist, die Sie da haben, sie lernen auch andere Leute kennen, die Diabetes haben und eventuell ähnlich enttäuscht von ihrem Körper sind wie Sie. Es ist einfach wichtig, mit einer chronischen Erkrankung nicht allein zu sein und sich bewußt zu machen, dass Sie an Ihrem Diabetes eben nicht selbst schuld sind. Zugegeben, ganz unvermeidlich war er nicht, aber gerade beim Typ 2 spielt das Erbe der Vorfahren doch eine signifikante Rolle.

Was dann als nächstes schwierig wird, vor allem für Singles, ist die Umstellung der Ernährung. Es gibt ein paar Tricks und Kniffe, die man relativ einfach in den Alltag einbauen kann und es gibt einiges, was gewöhungsbedürftig ist. Ich selbst habe insofern Glück, als ich Süßigkeiten nie wirklich gebraucht habe. Sicher, Weihnachten kommt auf uns zu und ich bin selbstverständlich ein großer Fan von Lebkuchen und Schokoladennikoläusen. Ostern ist auch ein kritischer Zeitpunkt, vor allem wegen der Eierlikör-Eier. Aber aufs Ganze gesehen komme ich ohne süßes Zeug aus, kann mittlerweile sogar meinen Kaffee ohne Zucker genießen, wenn ich genug Milch dazu bekommen kann und habe mir Zucker größtenteils abgewöhnt.

Es geht auch nicht darum, vollständig auf alles zu verzichten, was bisher das Leben kulinarisch lebenswert gemacht hat. Es geht um Reduktion und um Umstellung. Was mir die meisten Probleme gemacht hat, war die Umstellung auf Vollkornnudeln – da gab es zu Beginn meines Diabetes kaum preiswerte Produkte, die nicht nach einer Kombination aus Pappe und Schmirgelpapier schmeckten. Das hat sich inzwischen gottseidank geändert. Ansonsten war ich noch nie ein großer Fan von viel Fleisch, Wurst und Fett, insofern war das nicht wirklich problematisch. Mein Tipp an Sie: Wenn Sie einen Tiefkühlschrank haben, besorgen Sie Tiefkühlgemüse, von dem Sie wissen, dass Sie es mögen und horten Sie es, so dass Sie spontan kochen können.

Bücher, vor allem Kochbücher können helfen – müssen aber nicht. Ich rate zum Besuch der örtlichen Bibliothek, die üblicherweise einiges an Lektüre zum Thema vorrätig hat. Lesen Sie dort, bevor Sie sich zum Kauf entschließen. (Man kann das selbstverständlich auch in der Buchhandlung machen, aber nach einer Weile gucken die Leute dort etwas komisch, das kann zu unbeabsichtigten Spontankäufen führen, die Sie später bereuen.) Nutzen Sie gerade die Kochbücher vor allem dafür, die Ernährung während Ihres Arbeitstages diabetesgerecht zu gestalten. Wenn eine Kantine an Ihrem Arbeitsplatz vorhanden sein sollte, prüfen Sie diese auf Diabetikertauglichkeit (ich sage es Ihnen gleich: Sie werden enttäuscht sein). Wenn die Kantine untauglich ist, müssen Sie Ihr Mittagessen selbst mitbringen und bei der Zubereitung transportablen Essens sind so manche Kochbücher wirklich hilfreich.

Das, was am Schwierigsten zu bekommen ist, ist gleichzeitig das Wichtigste: Bewegung. Wenn Sie allein leben und den ganzen Tag arbeiten, kann es gut sein, dass Sie abends einfach keine Lust mehr haben, sich in Bewegung zu setzen. Das ist aber in der Tat der wichtigste Aspekt, wenn Sie Dominanz über den Diabetes erlangen möchten. Ich habe es mit einer Mitgliedschaft in einem Fitness-Studio versucht (völlig erfolglos), mit dem Erwerb eines handlichen, kleinen Steppers, mit dem ich vor dem Fernseher immer mal ein Weilchen üben kann (ich muss ihn demnächst wieder einmal entstauben), mit dem Plan, mindestens dreimal pro Woche einen etwa halbstündigen Spaziergang zu machen (mein innerer Schweinehund lacht diabolisch) – es ist nicht einfach. Setzen Sie sich erreichbare Ziele. Laufen Sie lieber zehn Minuten um dem Block als eine halbe Stunde durch den Wald, den Sie nur mit dem Bus erreichen können. Wichtig ist es zunächst, sich wieder an Bewegung zu gewöhnen, wenn Sie, wie ich, der Bewegung vollständig entwöhnt sind. Und tun Sie Dinge, die Ihnen Spaß machen, zumindest halbwegs.

Wenn Sie mit Ihrem Diabetes und dann eventuell noch einer Depression allein sind, brauchen Sie Verbündete und Information. Es ist nicht wirklich einfach beides in der verläßlichen Variante zu finden, aber mit ein wenig Hartnäckigkeit finden Sie, was Sie brauchen. Haben Sie Geduld mit sich, machen Sie sich keine Vorwürfe, leben Sie nach vorn, lassen Sie sich die Laune nicht vermiesen von einer Erkrankung, die droht, Ihr Leben zu beherrschen. Und gönnen Sie sich hier und da etwas Gutes, das ist wichtiger als endlose Selbstdisziplin und hilft beim Durchhalten.

Ich verlinke Ihnen hier die Deutsche Diabetes-Gesellschaft – wenn Sie Neudiabetiker sind, warten Sie aber wirklich besser mit der Lektüre bis zum Beginn einer Diabetikerschulung, damit Sie Leute haben, mit denen Sie über das dort Gelesene sprechen können.

 

Landtagswahl Bayern 2023 – Programme der Parteien

Vor ein paar Wochen habe ich gesagt, ich wolle die Programme der Parteien, die sich um Sitze im bayerischen Landtag bewerben lesen – zumindest die, die schon drin sind. Was ich bei diesem Versuch gelernt habe: Programme sind weder dafür da, dass sie gelesen werden (sonst hätten wir sie in Flyerform im Briefkasten), noch sagen sie tatsächlich viel aus. Wer wirklich wissen will, wie die Parteien ihre Vorhaben so umsetzen wollen, wird wohl einerseits die Beschlüsse zu den Programmen durchgehen müssen, andererseits einfach abwarten, wie die konkrete Ausgestaltung dann ausfällt.

Die Zusammenfassungen sind selbstverständlich ziemlich subjektiv und es finden sich auch einige sehr subjektive Kommentare im Text. Das liegt daran, dass ich lieber kommentiere als objektiv Bericht erstatte und ich bitte dafür um Nachsicht.

Für die, die gern direkt zu der Partei springen möchten, die sie interessiert, sind hier Sprungmarken:

Das Programm der AfD
Das Programm der CSU
Das Programm der Freien Wähler
Das Programm der FDP
Das Programm der GRÜNEN
Das Programm der SPD

Ich habe mal mit dem Programm der AfD angefangen – vor allem, damit ich das schon mal hinter mir habe.

Das Programm der AfD

Mein Eindruck vom Text insgesamt: Polemisch und viel Gefasel. Es stehen Allgemeinplätze drin, die man jederzeit unterschreiben könnte, dummerweise geht da nicht viel in die Tiefe, dafür hat es satte 100 Seiten. Insgesamt will die AfD mehr direkte Demokratie, sie will sich methodisch hier an die Schweiz anlehnen. Beim Punkt Recht und Inneres gibt es keine Überraschungen, straffällige Ausländer und abgelehnte Asylbewerber abschieben, keine doppelte Staatsbürgerschaft, Deutscher ist, wer von Deutschen abstammt, nicht etwa wer hier geboren ist, es ist auch so einiges zum Thema Islam dabei vom religiös motivierten Terrorismus, der bekämpft werden soll bis hin zur „Kleiderordnung“. So manches wird sicherlich auch außerhalb der AfD als Standpunkt einen Platz finden wie beispielsweise die Tatsache, dass die AfD Beschneidung ohne medizinische Indikation ablehnt – das tue ich auch, es macht mich aber noch lange nicht mit dieser Partei gemein. Sicherheit, Recht und Ordnung durch Stärkung von Polizei und Justiz ist ein Punkt, der schon bei der Lektüre der Zwischenüberschriften Gänsehaut macht, vor allem, weil hier eben auch mit Schlagwörtern (im wahren Sinne des Wortes) wie „Krawallmacher“, „harte Hand“ und „falsche Toleranz“ gearbeitet wird. Einen eigenen Punkt hat sich die „Herrschaft des Unrechts“ (das ist die Überschrift zu Kapitel 3) verdient. Hier wird sich massiv mit Migration beschäftigt und allem, was nach Ansicht der AfD anders zu handhaben sei.

Ein weiterer Punkt, der für mich schwierig wird, ist der Schutz der Familie, also Kapitel 5 und hier gleich der erste Punkt, nämlich das Recht, das ungeborene Kinder auf Leben haben. Hier habe ich mal in den Absatz gespitzt und allein das ist schon einmal ein Grund, diese Partei um Himmels willen nicht zu wählen. Da ist die Rede von der „Tötung Ungeborener“, Frauen sollen auch „in schwierigen Situationen ‚Ja'“ zu ihrem Kind sagen. Auch soll die Schule junge Menschen zu Respekt vor dem Leben erziehen und eine positives Bild von Ehe und Elternschaft vermitteln. Bei der Schwangerschaftskonfliktberatung soll der Vater und auch die „werdenden Großeltern“ einbezogen werden, Adoption und Inpflegenahme als Alternative zur Abtreibung sollen im Beratungsprogramm sein und Adoptionen seien zu erleichtern. Wenn ich das weiterdenke, wird mir sterbensübel. Eigentlich reicht ein Blick in die Vereinigten Staaten auf die Situation, wie sie sich entwickelt hat, nachdem der Oberste Gerichtshof das Urteil Roe v. Wade kassiert hat, um ernsthaft Angst um unsere Frauen und Mädchen zu bekommen.

Die Inhalte zu Bildung und Umwelt, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bieten nun nicht wirklich Überraschungen, die AfD steht für ein Menschenbild, das sehr konservativ ist, das Außergewöhnliche ablehnt, insofern von Integration nichts hält und den Status Quo erhalten möchte. Umweltschutz ist vor allem Bestandsschutz, alles möge bleiben, wie es war. Betäubungsloses Schlachten soll verboten werden (das ist wohl dann der Seitenhieb aufs Schächten, denn betäubt wird hier kein Tier, es wird lediglich ein Bolzen ins Gehirn geschossen und vom Geflügel reden wir jetzt mal lieber nicht). Alles in allem ist das nicht anders als erwartet.

Bei der Gesundheitspolitik wird’s dann nochmal interessant, denn hier will die AfD Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung erhalten und kritisiert den „Ausverkauf kommunaler Krankenhäuser an gewinnorientierte private Klinikketten“, sieht aber gleichzeitig, dass es da ein Kostenproblem gibt, das zur Schließung oder eben dem Verkauf dieser Krankenhäuser führt. Da soll es dann jetzt der Freistaat richten, indem er „in verstärktem Maß seinen gesetzlich vorgegebenen Finanzierungs- und Investitionsverpflichtungen“ nachkommt.

Ärzte, die aus dem Ausland kommen und in Bayern eine Approbation beantragen, sollen neben dem Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse auch eine obligatorische Kenntnisprüfung zur Feststellung der fachlichen Eignung ablegen, denn sie könnten ihre Nachweise ja auch auf dem „freien Markt“ käuflich erworben haben. Wie sinnig diese Idee ist, kann ich nicht beurteilen, ich stelle mir vor, dass das einen recht erheblichen Bürokratieaufwand mit sich bringen könnte.

Originell wird es dann ein paar Absätze weiter, denn „die AfD Bayern setzt sich dafür ein, dass das in Deutschland tief verwurzelte Berufsbild des Heilpraktikers erhalten bleibt“. Die gesetzlichen Krankenkassen sollen die Kosten solcher Therapien anteilig übernehmen können. Ja, das steht so im Programm.

In der Gesundheitsrubrik findet sich auch die Forderung, die Risiken des neuen Mobilfunkstandards 5G vor seinem flächendeckenden Ausbau „wissenschaftlich neutral“ zu untersuchen.

Aus den Zwischenüberschriften im Kapitel zur Energiepolitik ergibt sich ein relativ rückschrittliches Bild, Energie aus Wind und Sonne scheinen der AfD nicht wirklich eine Option zu sein. Im Kapitel Hightech-Land Bayern findet sich dann auch die Forderung nach Breitbandausbau und E-Government, was mir den Eindruck vermittelt, dass das ein wenig dem Misstrauen gegenüber Mobilfunkstandards zu widersprechen scheint.

Sozialpolitisch ist nicht viel vorhanden. Es geht hauptsächlich um alte Menschen, Rentner und Heimatvertriebene, daneben um die Förderung ehrenamtlicher Projekte, die „ideologiefrei“ (ein Wort, das sich öfter im Programm findet) sein sollen. Unter Arbeitsmarktinitiativen und Integration findet sich dann noch einmal der explizite Ausschluss von abgelehnten Asylbewerbern und illegal eingereisten Personen. „Legal eingereiste Kriegsflüchtlinge“ sollen „auf Zeit unseren Schutz“ bekommen, sie sind aber per Definition nicht legal in Bayern lebende Migranten.

Fazit: Die AfD spricht sicher einiges an Problemen an, wirkliche Lösungsvorschläge finde ich nicht. Dafür finde ich viel Polemik, einiges an rechtlich und/oder finanziell praktisch nicht umsetzbaren Ideen und ein sehr geschlossenes Weltbild.

Das Programm der CSU

Weiter geht es mit der CSU, die ihr Programm mit „Für ein starkes und stabiles Bayern“ überschreibt. In Bayern lebt es sich einfach besser. Regierungsprogramm der Christlich-Sozialen Union 2023 – 2028“ überschreibt.

Auch hier gehe ich nicht auf alles ein, auch wenn das Programm „nur“ 24 Seiten lang ist. Die Einführung „In Bayern lebt es sich einfach besser“ spare ich mir und schaue auf den Plan für ein stabiles, lebens- und liebenswertes Bayern.

Geschickt ist die Formulierung der Überschriften: Wir schützen, wir geben, wir sichern, wir garantieren, wir steuern (was wohl, genau: die Migration), wir unterstützen, wir schaffen, wir verbinden, wir stärken. Wir für euch. Hier gibt es von mir schon einmal eine Eins mit Stern für das konsequente Bedienen des Bedürfnisses des Menschen an sich nach Sicherheit und gutem Aufgehobensein. Aber wie sieht es inhaltlich aus?

Die CSU will Bayerns Wohlstand schützen und die Mitte entlasten. Okay, worin besteht Bayerns Wohlstand und wer ist die Mitte? Der Wohlstand besteht in finanzieller Solidität (was wäre dann genau finanziell solide?), in der höchsten Investitionsquote aller Länder und darin, dass das Land Bayern keine neuen Schulden macht (von den Kommunen redet jetzt mal keiner). Bayern erreicht immer wieder das Spitzenrating AAA/A-1+.

Sehr konkret wird’s dann nicht mehr. Gestaltungsspielräume erhalten, deshalb ausgeglichener Haushalt, Preisbremsen für Bürgerinnen und Bürger, Mittelstand und Industrie. Konkret wird’s bei der Stromsteuer, wo dann tatsächlich mal Werte genannt werden. Kostenlose Meisterausbildung, Handwerk fördern. Ich bin jetzt schon gespannt aufs Bildungsprogramm, denn die vielen Ausbildungsplätze, die der Mittelstand in Bayern zur Verfügung stellt, können leider nicht besetzt werden, weil zu viele Schüler nicht ausbildungsfähig aus der Schule kommen. Ansonsten vermittelt der Absatz den Eindruck, dass die CSU das Handwerk mit dem Mittelstand gleichsetzt.

Darauf folgt Bürokratieabbau und Senkung und Regionalisierung der Erbschaftssteuer. Dann geht’s noch um Gastronomie und Tourismus, was logisch ist, weil ein sehr großer Teil Bayerns von eben dieser Branche lebt. Und dann muss der Länderfinanzausgleich natürlich noch „gerecht“ gestaltet werden. Motto: Bayerisches Steuergeld vor allem für Bayerns Bürger. Das Hemd ist halt immer näher als die Jacke.

Die soziale Sicherheit und Teilhabe: Vorfahrt für Arbeit, unbedingt. Wer arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet. Strafen für die, die arbeiten können, aber nicht wollen. Bürgergeld ist leistungsfeindlich und ungerecht.

Originell ist der Absatz zum Miteinander der Generationen, ich empfehle die Lektüre – ich selbst sehe jetzt nicht wirklich die Sinnhaftigkeit. Schulische Inklusion wird gestärkt, indem die Förderschulen weiterentwickelt werden, diese Diskussionen werden interessant.

Energiepolitisch sollen erneuerbare Energien bis 2030 verdoppelt werden, Photovoltaik verdreifacht (Photovoltaik ist keine erneuerbare Energieform?). 1000 neue Windräder bis 2030, der Wasserkraftanteil auf 25 Prozent gesteigert werden. Bioenergie soll bis 2028 um 15 Prozent gesteigert werden (dabei wird wohlweislich nicht darüber geredet, dass es sich dabei auch wieder um Verbrennung handelt, die bekanntlich mit den entsprechenden Abgasen verbunden ist – aber grundlastfähig ist wichtig, das sehe ich ein). 25 Prozent des Wärmebedarfs soll bis 2050 (!) aus Geothermie gedeckt werden und Bayern soll zum Wasserstoffland Nr. 1 entwickelt werden. Erneuerbare Energien durch Speicher grundlastfähig zu machen ist eine Idee, die ich mag und Netzausbau ist auch immer vonnöten, klar.

Kernenergie soll als Brückentechnologie weitergeführt werden (lustig der Hinweis, dass es eine Grundlast für die Netzstabilität „gerade auch in der windstillen Nacht“ brauche). Ein Energieforschungs-Campus soll Bayern zum Vorreiter bei Kerntechnologie und Kernfusion machen.

Sicherheitspolitisch sollen die Polizeiinspektionen vor Ort bis 2028 1.000 neue Stellen bekommen, voll digitalisierte Streifenwagen zum Abbau der Bürokratie und die Reiterstaffel soll auf insgesamt 100 Pferde aufgestockt werden. Künstliche Intelligenz soll in der Polizeiarbeit sinnvoll eingesetzt werden – da bin ich gespannt auf die technische Umsetzung. Eingegangen wird auch auf die Bekämpfung von Extremismus, Stärkung von Bundeswehr und Katastrophenschutz, Kampf gegen Kindesmissbrauch (in diesem Punkt finden sich dann die wirklich kritischen Vorhaben Vorratsdatenspeicherung, Quellen-TKÜ, Online-Durchsuchung); mehr Stellen für die Justiz und Modernisierung und Digitalisierung der Justiz sind dann die Vorhaben, die den Punkt Sicherheit abschließen.

Weiter geht es mit Migration und der Absatz beginnt mit den Worten „Bayern ist Integrationsland Nr. 1 in Deutschland“. Sehr vernünftig und verständlich ist das Vorhaben, mehr Unterstützung vom Bund für die Kommunen einzufordern. Fordern und Fördern ist der nächste Punkt, dann geht es weiter mit dem Umsetzen von Humanität und Ordnung, in dem noch einmal die konservativen Forderungen wiederholt werden, die gerade im Moment wieder sehr in der Diskussion sind. Rückführungen sollen beschleunigt, Arbeitsmigration verbessert und die Staatsbürgerschaft nicht verschenkt werden, dazu soll die bayerische Grenzpolizei fortgeführt und gestärkt werden.

Familien sind der nächste Punkt, also sind wir bei der Sozialpolitik angelangt. Bayerisches Familiengeld ist der erste Punkt, dann geht es weiter mit Betreuungsangeboten. Hier sollen bis 2028 (gemeinsam mit den Kommunen) 50.000 neue Betreuungsplätze für Kinder unter sechs Jahren und 130.00 neue Plätze für Kinder im Grundschulalter geschaffen werden. Die Betreuungsqualität soll weiter verbessert werden, ab 2024 soll die Anzahl der geförderten Assistenzkräfte auf 1.500 erhöht werden (wie viele es derzeit gibt, wird nicht erwähnt). Der Erzieherberuf soll attraktiver werden, eine familienfreundliche Arbeitswelt gestärkt und das Ehegattensplitting erhalten bleiben.

So, jetzt geht es in meinen bevorzugten Bereich, die Bildung.

Der Vielfalt der Talente will mit der Vielfalt an Bildungswegen gerecht werden, das Schulsystem bleibt gleich: Schulfächer, Lernen in Klassen, Leistungsbewertung durch Noten – vermutlich auch Frontalunterricht. Also weiterhin ein recht unflexibles Lehrsystem innerhalb eines verzweigten Schulsystems. Bei der Einschulung sollen „Deutsch-Kenntnisse“ (!) sichergestellt werden. Sinnvoll, sicherlich. Wie man mit denen umgeht, die die notwendigen Deutschkenntnisse nicht haben, wird nicht erwähnt. Die Schule der Zukunft bekommt mehr Technik und mehr Personal, wie dieses Personal ausgebildet und ertüchtigt sein soll, steht nicht im Programm. Die Grund- und Mittelschulen werden gestärkt, indem die rechtlich selbständigen Grundschulen bestehen bleiben, wo die Eltern dies wünschen. Abgesehen davon gibt es gute Gehälter für die Lehrer, das wars dann auch mal. Das Lehramtsstudium wird gestärkt durch regionale Studienmöglichkeiten, damit die Lehrkräfte dann auch hier bleiben. Der sinnvollste Punkt in diesem Programm ist tatsächlich Schwimmunterricht für alle Kinder.

Heimat und Hightech für den Wohlstand von morgen ist ein interessanter Punkt – hier kommen dann die fetten Investitionsversprechen: Hightech Agenda mit über 5 Mrd. Euro bis 2027, 3.800 geförderte Stellen, 1.000 neue Studienplätze, 20 Spitzenforschungsinstitute. Schwerpunkte: Künstliche Intelligenz, Luft- und Raumfahrt, Robotik, Quantencomputing, CleanTech und SuperTech. Künstliche Intelligenz hat einen eigenen Absatz, hier investiert Bayern 600 Mio. Euro (ist das Teil des oben genannten Investitionsvolumens oder geht das extra?). In diesem Absatz findet sich auch die Förderung der Hardware-Entwicklung, das ist sicher sinnig.

Spitzenmedizin und Biotechnologie sollen gefördert werden, das bayerische Luft- und Raumfahrtprogramm „verstetigt“ werden. Die Forschungsergebnisse der Hochschulen sollen für den Mittelstand einfach zugänglich werden; fragt sich, ob das auch für diejenigen Ergebnisse gilt, die hauptsächlich durch Drittmittel finanziert sind.

Es folgt ein krasser Schnitt: Landwirtschaft. Ohne diesen Abschnitt geht in Bayern eigentlich gar nichts, denn neben Tourismus ist auf dem Land eben die Landwirtschaft der wichtigste Wirtschaftsfaktor. Familienbetriebe sollen gestärkt werden, regionale Lebensmittel gefördert, Bürokratie abgebaut und ein Belastungsmoratorium umgesetzt werden. Steuerbefreiung von Agrardiesel und Landmaschinen, keine Gewerbesteuer für Land- und Forstwirtschaft. Tierwohl soll gestärkt werden, die Düngeverordnung praxistauglich gemacht werden, pauschale Flächenstilllegungen verhindert und das Landwirtschaftsministerium gestärkt werden. An den Kitas und Schulen soll das Essen mindestens zur Hälfte aus regionalen Produkten bestehen und es soll ein Fach „Alltagskompetenz“ eingeführt werden, das mehr Wissen und Wertschätzung für die Landwirtschaft vermitteln soll. Den Abschluss des Absatzes bildet der Schutz von Weidehaltung, Alm- und Teichwirtschaft, Wölfe und Fischotter sollen dauerhaft entnommen werden können (ich übernehme hier nur die Formulierung).

Der Abschnitt Umwelt und Klima fordert Klimaneutralität bis 2040, technologieoffen und Im Einklang mit den Bürgern, nicht über Verbote. Originell finde ich, dass sich im nächsten Absatz die Verurteilung der „Klimakleber“ findet. Eigentlich hätte ich das unter den sicherheitspolitischen Punkten vermutet, aber nun gut. Ansonsten: Wälder erhalten und nutzen, Wasser schützen, Renaturierung fördern, Biodiversität erhalten und Artenschutz.

Der Abschnitt über den ländlichen Raum plädiert für gleichwertige Lebensverhältnisse. Ein Drittel des Staatshaushalts geht an die Kommunen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. Gleichwertige Lebensverhältnisse in Bayern sollen mit der Strategie „Offensive.Heimat.Bayern 2025“ gesichert werden. Das kann man bestimmt mit der Suchmaschine seines geringsten Misstrauens finden.

Zur Digitalisierung soll die neue bayerische Gigabitrichtlinie Anschlüsse von grauen Flecken fördern. 99% der Haushalte sonne mit schnellem Internet erschlossen sein, das Mobilfunknetz weiter verbessert und Lücken geschlossen werden. Bis wann das passiert sein soll, steht nicht drin.

Abgesehen davon soll der bayerisch-tschechische Grenzraum gestärkt werden.

Mobilität ist auch ein interessantes Thema, damit geht es weiter. Wir behalten mal im Hinterkopf, dass Audi und BMW in Bayern ansässig sind und viele Menschen beschäftigen. Los geht’s mit dem Stärken des Radfahrens, gleich danach kommt ein „‚Ja‘ zum Auto – ‚Nein‘ zu Verboten“. Im Text steht dann auch ein klares „Ja“ zum Verbrenner.

Mobilität soll technologieoffen klimaneutral gemacht werden, die IAA in Bayern bleiben, Straße und Schiene gestärkt und öffentlicher Nah- und Fernverkehr attraktiver gemacht werden. Insgesamt bietet der Absatz meiner Ansicht nach nichts Überraschendes.

Bezahlbaren Wohnraum schafft die CSU durch Planungssicherheit (da geht’s wohl eher um Eigenheime) und um modernes Heizen. Mehr Wohnungen sollen geschaffen werden, öffentlicher Wohnungsbau soll gestärkt werden, Mitarbeiterwohnungen gefördert, Eigenheime ermöglicht und geschützt. Das sind die Zwischenüberschriften.

Gesundheitsversorgung ist auch so ein Punkt, den ich extrem interessant finde, damit geht es dann weiter. Die Gesundheitsvorsorge soll vor allem durch Investitionen in die Krankenhäuser gesichert werden, 100 Mio. Euro gehen über die kommenden fünf Jahre nach dem Willen der CSU dorthin. Geburtshilfe soll gestärkt werden und mehr Ärzte ausgebildet. Letzteres verdient einen genaueren Blick:

Fast 3.000 zusätzliche Studienplätze sollen geschaffen werden, ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Gewinnung und Ausbildung von Notärzten und Notfallsanitätern. Praxisgründungen im ländlichen Rau sollen unterstützt werden, generell sollen vor allem Ärzte für den Beruf des Landarztes begeistert werden, um die Quote zu erhöhen. Ja, da fehlt mir aber noch einiges zum Thema Krankenhausärzte, Arbeitszeiten, Dienste. Wir alle wissen, dass Ärzte schon in der Ausbildung in die Erschöpfung getrieben werden – das war schon vor Jahrzehnten so. Insofern fehlt mir wirklich ein Punkt, der 24-Stunden-Dienste (und längere Dienste) endlich unterbindet und dafür sorgt, dass der Personalschlüssel in Krankenhäusern entsprechend angepasst wird – übrigens auch für das Pflegepersonal, aber vielleicht kommt da ja noch ein Absatz zu letzteren, bisher finde ich nichts.

Pflegende Angehörige sollen durch das bayerische Landespflegegeld unterstützt werden und eine menschliche Pflege gesichert werden, indem die Pflegeinfrastruktur weiter ausgebaut wird. Mehr Fachkräfte in den Pflegeberuf, angemessene Bezahlung, attraktive Rahmenbedingungen, noch dies und das mehr. Ich würde da gerne die Ausgestaltung sehen.

Die Arzeimittelversorgung soll sichergestellt werden, eigene Produktion in Bayern ist Ziel.

Palliativpflege wird erwähnt, allerdings „nur“ als Antwort auf den assistierten Suizid, der abgelehnt wird. Außer der Aussage, dass man sich breiter aufstellen wolle, sind hier aber keine Ideen zu finden.

Letztlich werden dann Drogen geächtet. Legalisierung von Drogen sei der Bundesregierung wichtiger als die Versorgung mit Arzneimitteln, die CSU will verhindern, dass Bayern keine Testregion von Cannabis werde. Das Thema ist kontrovers, hier ist der Standpunkt der CSU.

Im Kultusprogramm, das den Zusammenhalt stärken und die bayerische Identität und Kultur bewahren möchte, findet sich keinerlei Überraschung, insofern gehe ich darüber und über den anschließenden Wahlaufruf hinweg und damit ist das 24-seitige Programm der CSU dann durch. Die Lektüre war streckenweise aufregend. Mein Fazit: Abgesehen von der Wirtschaft, in die eine ganze Menge Geld gesteckt werden soll, ist es in weiten Teilen nebulös und wenig konkret.

Das Programm der Freien Wähler

Die Freien Wähler haben ihr Programm auf 36 Seiten kondensiert, von denen die ersten sechs Seiten aus Inhaltsverzeichnis und Präambel bestehen.

Auf Seite 7 geht es los mit dem Abschnitt „Heimat ist Zukunft“. Der erste Punkt beschäftigt sich damit, dass sie gleichwertige Lebensverhältnisse anstreben möchten und hier liegt die Betonung auf dem ländlichen Raum, den sie wohl doch von der Stadt abgehängt sehen. Nach dem kurzen Absatz, der ins Thema einführt, folgt eine Liste von Zielen, die sie anstreben, was zwar angenehm kurz ist, aber meiner Ansicht nach leider zu viel der Phantasie des Lesers überlässt. Dinge wie Vereine und Ehrenamt stärken, Brauchtum und Traditionen erhalten (hier wird dann auch die Ablehnung der Verschärfung des Waffenrechts für legale Waffenbesitzer wie Jäger und Schützen mit angeführt), den ÖPNV in der Fläche weiterhin ausbauen und attraktiver gestalten (wie?), Krankenhäuser und Geburtsstationen flächendeckend erhalten sind in dieser Liste enthalten. Hier findet sich nichts, was von dem Programm der CSU wesentlich abweicht. Für die Kinder geht es damit los, dass die Erziehungsleistung von Eltern und Großeltern wertgeschätzt werden soll. Was mir ansonsten ins Auge springt: Die Freien Wähler möchten eine verpflichtende Vorschule in allen Kindergärten. Dummerweise sagen sie nicht, was diese Vorschule lehren soll. Ansonsten sind die Abweichungen vom CSU-Programm auch hier marginal.

Machen wir’s hier kurz: Die Freien Wähler haben in den letzten fünf Jahren mit der CSU regiert und wollen das auch weiterhin tun. Hier und da findet sich eine Idee, die von denen der CSU abweicht, insgesamt gibt es aber wenig Unterschiede. Wenn, dann neigen die Freien Wähler eher zu mehr Kontrolle als die CSU, und der Bürgerbeteiligung stehen sie weniger reserviert gegenüber, das war es dann aber auch schon. Nachdem ich das, was ich jetzt schon geschrieben habe, nicht unbedingt wiederkäuen möchte, spare ich mir den Rest, das Programm ist kurz genug als dass man es sich selbst durchlesen kann – es steht als PDF zum Download zur Verfügung.

Das Programm der FDP

Das Landtagswahlprogramm der FDP umfasst satte 120 Seiten. Dieses Buch trägt den Titel „Das Beste liegt vor uns“. Dann schauen wir uns erst einmal das Inhaltsverzeichnis an, das allein schon elf Seiten umfasst.

Im Bildungsprogramm finden sich die Themen frühkindliche Bildung, Schule, Wissenschaft und Forschung, Medien und der öffentlich-rechtliche Rundfunk, Jugendschutz und Kunst und Kultur.

„Vorankommen durch eigene Leistung“ ist der nächste Abschnitt. Hier geht es um neue Energie für Bayern, Wirtschaft und Digitalisierung, berufliche Qualifikation und mehr Chancen durch bessere Teilhabe.

Danach geht es selbstbestimmt in alle Lebenslagen mit eben jener Selbstbestimmung, (den Zwischenüberschriften nach ein bunter Strauß an sozialpolitischen Themen), dann Justiz, schlanker Staat und Demokratie, Blaulicht und Sicherheit, Sport, bayrischer Aktionsplan LGBTIQ*, Gesundheit und Pflege und zu guter Letzt dann Religion.

Freiheit und Menschenrechte weltweit befasst sich ebenfalls mit einem bunten Strauß an (in diesem Fall) innen- und außenpolitischen Themen.

Politik, die rechnen kann ist der nächste Abschnitt, hier geht es um (Steuer-)Geld, Haushalt, Finanzen.

Nachhaltigkeit durch Innovation ist die nächste Abschnittsüberschrift, hier gibt es wieder Zwischenüberschriften. Mobilität für unsere Kommunen, Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Umwelt und Klima schützen, Digitales und Netzpolitik sind hier die Subthemen.

Ich wähle zur genaueren Betrachtung aus diesem sehr ausführlichen Programm den Abschnitt zur Bildung. Wer mehr wissen möchte, kann sich das Programm ja herunterladen, das gibt es als PDF bei der bayerischen FDP.

Eine bessere Fachkraft-Kind-Relation an Kitas, mehr Fachberatung, begrenzte Gruppengrößen und mehr Medienkompetenz sind die Forderungen für die Qualitätsoffensive in der frühkindlichen Bildung. Erzieherinnen und Erzieher sollen mehr Zeit für die Kinder haben statt für Bürokratie. Warum die FDP sich nicht dafür einsetzt für die bürokratischen Aufgaben Menschen einzustellen, die diese abarbeiten, zumindest den arbeitsintensiven, aber nicht fachgebundenen Teil, verstehe ich nicht recht. Aber vermutlich ist das eine Finanzfrage.

Eine Landeselternvertretung für Eltern von Kita-Kindern wird als nächstes gefordert. Wenn ich mir ansehe, was meine Lebensrealität war, als meine Kinder in dem Alter waren, hege ich arge Befürchtungen, was den Zuspruch zu dieser Institution anbelangen wird. Ja, ich verstehe den Hintergrund, aber auch der Tag von Kita-Kindereltern hat nur 24 Stunden und hier gibt es kein zusätzliches Betreuungspersonal. Ich weiß also nicht, ob das eine gute Idee wäre.

Deutsch-Vorkurse stehen als nächstes im Programm für Kinder ab fünf Jahren, eventuell auch früher. Da kommt es auf die Ausgestaltung an, aber grundsätzlich ist die Idee lobenswert.

Mehr Kinderbetreuungsplätze sind die nächste Forderung aus dem Programm, dazu gibt es nicht viel zu sagen. Der nächste Punkt sind mehr bilinguale Kitaplätze, wissenschaftlich begleitetes Konzept, Anwerbung von Muttersprachlern. Auf Deutsch: Möchten wir machen, haben den Plan aber nicht in der Schublade. Flexi-Kitas für schichtarbeitende Eltern sind auch eine gute Idee. Dann gibt’s noch ein paar Ideen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Kita an sich.

Weiter geht es in der Schule. Erster Punkt: Beste Lehrkräfte gewinnen und Leistung fördern. Das klingt schon einmal sehr nach FDP, ja. Direkte Bewerbungen an die jeweilige Wunschschule statt Zuteilung sind eine gute Idee – ich sehe da nur ein Problem für die Schulen auf dem Land. Die Lehrkräfte zu leistungsorientierten Konditionen anzustellen ist generell eine gute Idee, allerdings frage ich mich, woran die Leistung der Lehrer gemessen werden soll. Hospitation und Supervision sind in der bayerischen Schule nicht vorgesehen. Der Lehrer ist König in seinem Klassenzimmer (spätestens, sobald das Referendariat durch ist). Wie also soll da eine objektive Bewertung stattfinden? Noten, von den Schülern vergeben? Das sind ja die einzigen, die den Lehrer bei der Arbeit sehen. Aber es ist eine spannende Idee.

Freie Schulwahl statt Sprengelschule – ebenfalls eine grundsätzlich schöne Idee. Geeignete Schulen sollen durch „transparente Qualitätsrankings“ für Eltern und Schüler identifizierbar sein. Diese Rankings müssten aber noch entwickelt werden, was bedeutet, dass wir in den nächsten zehn Jahren nichts davon sehen werden, selbst wenn die FDP in Bayern an der Regierung beteiligt werden sollte. Bildungsgutscheine (nicht für die Schüler, sondern für die Schule, als Pauschale pro Schüler) sollen für eine gerechte Finanzierung sorgen.

Staatliche Vorschriften sollen halbiert werden, um den Schulen vor Ort mehr Gestaltungsfreiräume zu schaffen. Eigenverantwortliche Schulen soll es geben, eine Vertrauenskultur. Allerdings soll das Kultusministerium für Abschlüsse, Rahmenlehrpläne, Kerncurricula, das Finanzierungssystem und grundsätzliche rechtliche Fragestellungen zuständig bleiben.

Personalentscheidungen sollen in die Hand der Schulen (auch wieder über den Bildungsgutschein) und sie sollen die Budgethoheit haben (entweder sind hier Redundanzen oder ich hatte den Abschnitt zum Bildungsgutschein nicht verstanden). Gestaltungsfreiheit in der Pädagogik hört sich sperrig an und so, wie ich den Abschnitt lese, soll hier inhaltlich mehr Wahlmöglichkeit für die Lehrer geschaffen werden. Systemisch sehe ich keine Veränderungsansätze – die wären meiner Ansicht nach aber dringend nötig.

Für Fairness und Vergleichbarkeit hat sich die FDP den Klotz der Diskussion in der Kultusministerkonferenz ans Bein gebunden: Zentrale Inhalte für die Abschlussprüfungen, deren Standards sich an den Ländern mit dem höchsten Bildungserfolg orientieren. Da sehe ich jetzt schon so einige Kultusminister ein hartes Veto einlegen.

Zum Übertritt will die FDP systematisch ein wenig schrauben, aber nicht an dem meiner Ansicht nach wichtigsten Punkt: Wir sortieren zu früh. Wenn Bayern wieder 13 Schuljahre bis zum Abitur hat, ist es dicke genug, wenn da nach der sechsten Klasse sortiert wird. Aber was weiß ich schon, ich bin ja keine Pädagogin.

Schriftliche Schulabschlussprüfungen möchte die FDP nicht nur landesweit zentral stellen, sondern auch einer externen Zweitkorrektur unterziehen, digitalisiert, anonymisiert und dann dokumentiert. Vergleichbarkeit ist wichtig, deshalb hätte ich hier den Weg gerne genauer gesehen, der da gegangen werden soll.

Interessant ist der Teil des Programms, der sich mit der Digitalisierung in der Schule beschäftigt; es beginnt mit der Ausstattung aller Schüler mit einem digitalen Endgerät. Die Finanzierung soll über den oben erwähnten Bildungsgutschein erfolgen. Außerdem will die FDP die Systembetreuung professionalisieren. Die Systemadministration soll auf Ebene des Landkreises, der Stadt oder der Kommune erfolgen. Ich halte es für richtig und wichtig, die IT-Administration in die Hände von Profis zu geben und den Lehrern damit mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben zu geben, ja sogar die Idee eines bayernweiten Helpdesks für digitale Endgeräte, digitale Lehre und Plattformen steht mit im Programm, das ist ein echter Pluspunkt.

Die FDP möchte das ganze Schulsystem von Grund auf „digital denken“. Lernsoftware, Lernplattformen, leistungsfähiges WLAN und Breitband sind Vorhaben, die verwirklicht werden sollen. Was ich hier nicht sehe, ist Lehrerfortbildung, was ernsthaft schade ist. Auch, ob neben schlichter Digitalisierung auch wirklich systemischer Fortschritt auf pädagogischer Ebene ein Thema ist, bleibt im Dunkeln. Dafür sollen KI-Chatmodelle als Hilfsmittel eingesetzt und offen mitgestaltet werden.

Ich gehe mal über die Absätze zur Ganztagsbildung, dem mehrgliedrigen Schulsystem und der Durchlässigkeit hinweg, die jetzt nicht viel Interessantes bieten. Der Absatz über Mittelschulen liest sich für mich, als ob die FDP diesen Schulen mehr Freiheit zum Ausprobieren alternativer Wege zum Ziel geben möchte. Damit wird also schon im Programm festgeschrieben, was nicht passieren wird, wenn es nach dieser Partei geht: Konzertierte Anstrengungen, das Schulsystem insgesamt zu reformieren. Das wird den Mittelschulen überlassen – anscheinend ist es zu gefährlich, die leistungstragenden Gymnasien und Realschulen da einzubeziehen, dort wird schlicht weitergemacht wie immer, nur eben digitaler. In Talentschulen sollen vor allem in „Brennpunktvierteln“, aber auch in strukturschwachen ländlichen Räumen Ungleichbehandlung abgebaut werden.

Am Gymnasium will die FDP das Niveau heben, ein Kurssystem schon vor der Oberstufe prüfen und qualifiziertes Personal hätten sie auch gerne – mit der Wiedereinführung des G9 werden über 1000 zusätzliche Lehrkräfte benötigt, richtig.

Im Abschnitt über Schulen in freier Trägerschaft ist von Wettbewerbsbedingungen und fairen Marktbedingungen die Rede – allein diese Herangehensweise macht mich misstrauisch, auch wenn der Absatz sich nett liest. Das Vorhaben, Schulpsychologie und -sozialarbeit zu reformieren liest sich für mich eher nach einer Weiterentwicklung, aber auch das wäre gut.

Inklusion soll sich nach den Schülerinnen und Schülern richten, chronisch Kranke integrieren, Barrierefreiheit und Schulbegleitung bekommen ebenfalls ein wenig Aufmerksamkeit – die Lektüre dieses Abschnitts lässt mich mit einem gewissen ich-weiss-nicht-Gefühl zurück. Hier halte ich mich aber wegen mangelnder Fachkenntnis zurück, eventuell kann dazu ja jemand mit Fachwissen und Erfahrung kommentieren.

Lehrkräfte sind der nächste große Abschnitt; die FDP will tatsächlich heftig investieren, zunächst mit einer mobilen und integrierten Lehrerreserve – über den Bildungsgutschein in der Eigenverantwortung der Schulen. Und dann geht’s an die beruflichen Dinge. Unterschiedliche Laufbahnmodelle, Fortbildungskonzepte und -zeiten, eigeninitiatives Arbeiten am beruflichen Vorankommen anstatt Abwarten von Sitzprämien. Auf das Studium soll das Bachelor-Master-System angewandt werden – die Lektüre dieses Abschnitts lässt mich ambivalent zurück, ich bin keine Freundin dieses Systems. Aber das mag bitte auch jemand beurteilen, der mehr Ahnung und weniger Vorurteile hat.

Das dicke Brett, das gebohrt wird, sind die Leistungsanreize auch für verbeamtete Lehrer – das läuft auf nichts mehr als eine Reform der rechtlichen Grundlagen hinaus. Ein schönes Vorhaben, das aus der Opposition heraus definitiv keine Aussichten auf Erfolg hat – und in der bayerischen Landesregierung sehe ich die FDP nun wirklich nicht. Ich verstehe auch das Vorhaben, durch finanzielle Anreize (Leistungsprämien, Zulagensystem) die Attraktivität des Berufs zu erhöhen, allein die Kohle macht’s aber wirklich nicht.

Ab hier finde ich die Reihenfolge der behandelten Punkte etwas verwirrend, aber sei’s drum: Demokratie soll eingeübt werden, der Religions- und Ethikunterricht umgebaut werden zu einem Dialogunterricht zu Religions- und Weltanschauungsfragen, Medienkompetenz soll gestärkt werden, politische Bildung ebenfalls, ökonomische Bildung als Grundlage eines selbstbestimmten Lebens wird angestrebt und „Lernen zu handeln“ soll der Schule Realität bringen. Dazu soll Schüleraustausch erleichtert werden, Aufklärung über sexuelle Grenzüberschreitungen ist der FDP besonders wichtig, es gibt einen kurzen Absatz zu MINT-Kompetenzschulen und Bewegung und Sport sollen zum zentralen Baustein der Angebote unserer Gesellschaft an junge Menschen werden. Hehre Ziele, wer es genauer braucht, möge selbst lesen.

Nachdem der nächste Abschnitt sich mit Erwachsenenbildung beschäftigt, dachte ich, wir wären dann mit der Schule für Kinder und Jugendliche durch, aber nein, es geht mit Schulbeginn um neun Uhr weiter, dann mit digitalen Enrichmentprogrammen für Schüler in ländlichen Regionen, wo das analoge Angebot dürftig ist und dann geht es noch einmal um Sex, nämlich Aufklärung und hochwertigen Sexualkundeunterricht und zum guten Schluss für die Schulen steht noch eine Null-Toleranz-Strategie gegen Mobbing an Schulen im Programm.

Zur Erwachsenenbildung enthält das Bildungsprogramm der FDP im Abschnitt „Schule“ das Vorhaben, das Angebot der Volkshochschulen und anderer Erwachsenenbildungsträger flächendeckend zu unterstützen, für neue Träger sollen die Einstiegshürden des Bayerischen Erwachsenenbildungsförderungsgesetzes gesenkt und gleichzeitig auf eine aktive Qualitätskontrolle geachtet werden. Für die ältere Generation soll die Bildung/Weiterbildung unter dem Vorzeichen des lebenslangen Lernens schlicht kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Hier verlasse ich jetzt das 120-seitige Programm der FDP und empfehle jedem, der erwägt, diese Partei zu wählen, die Lektüre des gesamten Programms. Das Augenmerk sollte dabei auf der Suche nach konkreten Handlungsvorhaben liegen, denn die gehen in der Textmenge zum Teil unter. Noch eine kleine Anmerkung zu eventuell inkonsistenten oder redundanten Anteilen im Programm: Auch wenn das nicht so sein sollte, kommt so etwas vor, wenn man als Parteigemeinschaft nicht darauf achtet, seine Beschlusslage regelmäßig zu überprüfen. Und ich kenne keine Partei, in der die Beschlüsse regelmäßig auf Widersprüche und Wiederholungen überprüft werden. Hier bin ich aufgrund eigener leidvoller Erfahrung geneigt, nachsichtig zu sein.

Das Programm der Grünen

Die Grünen bieten dem geneigten Leser 103 Seiten Programm. Was mir an diesem Programm aber besonders gefällt, ist die Tatsache, dass immer wieder im Text konkrete Projekte eingeflochten sind. Das führt mich zu dem Rückschluss, dass es diese Punkte sind, die beispielsweise in einem Koalitionsvertrag Eingang finden würden. Ich konzentriere mich hier also auf diese Punkte.

Die ersten drei Projekte finden sich im Bereich der Energie: Die Grünen wollen die Wasserkraftwerke an Donau, Isar, Lech und Main von Uniper zurückkaufen. Dazu möchten sie ein öffentliches Energieunternehmen für den Freistaat gründen, das, wie oben erwähnt die Wasserkraftwerke zurückholt, Erkundungsbohrungen für Geothermieanlagen durchführt, pro Jahr 1000 Solarenergie-Anlagen auf Dächern, Fassaden und Parkplätzen installiert und im Staatswald 400 Windräder errichten lässt. Dazu habe ich dann ein paar Fragen – die vordringlichste wäre zu den 1000 Solarenergie-Anlagen: Welche Leistung ist denn da angedacht? Insgesamt wäre es natürlich auch interessant zu wissen, welchen Anteil am gesamten Energiebedarf Bayerns sie dann damit decken und wie unabhängig uns das von fossilen/konservativen Energieerzeugungsmethoden macht. Das dritte Projekt besteht in der Solarpflicht bei Neubauten aller Art und verpflichtender Nachrüstung bei wesentlichen Dachsanierungen. Ausführlich ist das alles im Kapitel 1.2 „Die Energiewende zum Erfolg für alle machen“. Dort findet sich auch noch einiges an weiteren Ideen wie Bürgerenergieprojekte, regionale Energiegenossenschaften und dergleichen. Der gesamte Abschnitt ist recht ausführlich, ich empfehle die Lektüre.

Kapitel 1.3 kümmert sich um Natur und Umweltschutz, was bei den Grünen jetzt nicht wirklich überrascht. Die Projekte, die hier konkretisiert werden, sind eine Senkung des Flächenverbrauchs, Freiflächen-Solaranlagen und Wasserschutz. Auch hier keine großen Überraschungen, das ist Kernthema der Grünen, alles sehr gut ausformuliert und ansprechend. Auch hier empfehle ich die Lektüre des Abschnitts.

Unter 1.4 findet sich die Herangehensweise der Grünen an die Mobilität, nämlich klimafreundlich, sicher und bequem. Was mich an dieser Stelle besonders interessiert, ist die Mobilität außerhalb der Ballungsräume – letztere sind ja recht gut versorgt, auch wenn es sicher im Bereich Abgase noch Verbesserungsbedarf gibt. Da sollen beispielsweise „alle geeigneten stillgelegten Bahnstrecken in ganz Bayern“ reaktiviert werden, was der ländlichen Bevölkerung durchaus einige Möglichkeiten wiedererschließen könnte. Den Radverkehrsanteil möchten die Grünen bis 2030 von 11 auf 25 Prozent steigern. Die konkreten Projekte: Das Klimaticket Bayern soll als Weiterentwicklung des 49-Euro-Tickets für 29 Euro zur Nutzung des Nahverkehrs bayernweit zur Verfügung stehen. Dass Radentscheid und Radgesetz umgesetzt werden sollen mit einem lückenlosen Netz aus komfortablen und sicheren Radwegen und zusätzlich Radschnellwegen für wichtige Pendelstrecken sollte jetzt ebensowenig überraschen wie Pläne für geschützte Fahrradabstellmöglichkeiten und eine bessere Fahrradmitnahme im ÖPNV. Auch das Projekt Tempo 30 innerorts sollte niemanden überraschen, die Argumentation dafür ist meiner Ansicht nach hinreichend bekannt und braucht hier nicht mehr wiederholt zu werden.

Auch bezüglich Landwirtschaft, gesunder Ernährung, Tierschutz und Verbraucherschutz (Kapitel 1.5) findet sich, was man bei den Grünen erwartet: Bio-regionale Produktvielfalt, ökologische Landwirtschaft weiter fördern und ausbauen, Ökologie in allen Lebensbereichen alltäglich machen, Forschung und Lehre für Agrarökologie ist als Idee auch nicht überraschend, vor allem der Wille zu einer Landwirtschaft ohne chemisch-synthetische Pestizide und „bienentötende Neonicotinoide“. Nachhaltige Landwirtschaft wollen die Grünen und das ist sehr verständlich. Gentechnikfreiheit in der Landwirtschaft, Erhaltung und Förderung der Saatgutvielfalt, Landwirtschaft im Zusammenhang mit Klimaschutz sind ebenfalls sehr grüne Anliegen. Auch der restliche Abschnitt sagt aus, was die Grünen seit Jahren sagen, insofern gehe ich jetzt mal darüber hinweg – auch dieses Programm ist ja als PDF erhältlich, da kann der geneigte Leser sich informieren. Projekte in diesem Abschnitt sind Die Förderung der Transformation von konventionellen Betrieben hin zu klimaangepasster Landwirtschaft, solidarischer Landwirtschaft, Agrarforstsystemen, so dass die Landwirte und Gärtner Methoden dazu ausprobieren können. Dazu gibt es ein kommunales Gärten- und Küchenprogramm, mit dem gärtnerische Selbstversorgung, Selberkochen und regionale Lebensmittel in den Mittelpunkt kommen sollen. Außerdem gibt es noch eine Ausbildungsoffensive für die Berufe des Lebensmittelhandwerks und den Beruf Koch/Köchin. Gesundheit, nachhaltiger Einkauf und Konsum von Lebensmitteln, auch pflanzliche Gerichte sollen Teil der Ausbildung werden.

Den Wirtschaftsteil überspringe ich hier und gehe gleich zum Thema Soziales/Bildung/Leben, das ist der dritte Abschnitt.

Unter 3.1 gibt es Ideen für eine gute Kindheit und Jugend. Kinder sollen gesund aufwachsen, auch hier finde ich nichts, was ich nicht von den Grünen erwartet hätte. Einen näheren Blick verdient der Abschnitt „in Sicherheit aufwachsen“, denke ich. Kinder sollen vor Gewalt geschützt werden, und zwar online und offline und dieser Schutz soll in Bayern deutlich ausgebaut werden. Kinderrechte sollen in die Verfassung, in der Konsequenz sollen Fortschritte und Versorgungslücken im Kinderschutz beobachtet werden und mit maßgeschneiderten Programmen möchten die Grünen dann auch nachsteuern, falls nötig. Hier fehlt mir eine Aussage über den Status quo, so dass man auch weiß, von welchem Punkt man ausgeht. Eine landesweite Ombudsstelle der Kinder- und Jugendhilfe soll Konflikten vorbeugen und das soll die bestehenden Angebote ergänzen. Präventionsprogramme werden ebenfalls erwähnt. Das Vorgehen gegen die Verbreitung von Gewaltdarstellungen, Missbrauchsdarstellungen, Beleidigungen und extremistischen Materialien unter Kindern und Jugendlichen an Schulen hätte ich gern etwas genauer definiert, da finde ich in diesem ausführlichen Programm den Absatz sehr kurz.

Unter „In Solidarität aufwachsen“ sieht man den Gegensatz zur FDP sehr schön, denn die Grünen möchten auch multiprofessionelle Teams, die sich um die Kinder kümmern sollen, aber hier ist tatsächlich eine andere Betonung spürbar. Inklusion scheint hier eben auch etwas zu sein, für das man auch bei armutsbetroffenen Kindern sorgen sollte und wofür es dann eben auch eine entsprechende Sensibilität beim Schulpersonal braucht. Inklusion zum Nachteilsausgleich für Kinder, denen Barrieren das Leben schwermacht ist auch bei den Grünen im Programm zu finden, klar und die Kindergrundsicherung als Vorhaben im Bund wird von den bayerischen Grünen unterstützt. Teilhabe wird groß geschrieben.

Es kommt dann noch der Punkt „Wir trauen der Jugend etwas zu“, der sich mit außerschulischen Aktivitäten, der Förderung von Vereinen und dem Lob des Bayerischen Jugendrings, der von den Grünen unterstützt wird beschäftigt. Insgesamt kommen dann noch ein paar Gedanken und Ideen zur Eigenständigkeit von Kindern und Jugendlichen und zu guter Letzt die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Und nun zu den Projekten:

Wahlalter 16 heißt denn auch gleich das erste Projekt und zwar für Kommunal-, Bezirks- und Landtagswahlen sowie Volks- und Bürgerentscheide. Damit das auch klappt soll die politische Bildung in den Lehrplänen der Schulen wesentlich früher angesiedelt werden – allerdings sagen die Grünen nicht, wann sie das gern hätten, das wüsste ich aber gern. Das zweite Projekt beschäftigt sich mit der Erhaltung der Jugendhilfe in Bayern, denn das betrachten die Grünen nicht als Luxus sondern als staatliche Pflichtaufgabe. Das hört sich an, als ob jemand die Kinder- und Jugendhilfe in Bayern abschaffen wolle, aber es geht wohl eher darum, dass Eigenanteile, die für die Teilnahme an geförderten Programmen aufgebracht werden sollen, nicht ausschließlich finanziell geleistet werden sollen, sondern auch in ehrenamtlicher Arbeit, Sachwerten und Verwaltungsdiensten erbracht werden können. Das dritte Projekt in diesem Zusammenhang soll die Möglichkeit für Jugendliche schaffen, in Jugendzentren durch Games zusammenzufinden und den verantwortungsvollen Umgang mit Games in pädagogischen Begleitprojekten zu erlernen. Für die Älteren unter uns: Ich gehe davon aus, dass hier Computerspiele gemeint sind.

Im Abschnitt 3.2 zu Kita und Schule der Zukunft sehe ich mir hauptsächlich die Projekte an, denn das dürfte die Aussage sein, die ich für meine Entscheidung benötige. Es ist viel Text in diesem Abschnitt zu frühkindlicher Bildung, der Lern- und Lebenswelt Schule, der Schule der Demokratie (hier kommt dann auch der Hinweis auf das Mehr an politischer Bildung für die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre) für die Kinder und Jugendlichen. Für die Lehrer steht auch hier schon einmal die Verbesserung des Gehalts der Lehrer an den Grund- und Mittelschulen und ein paar Worte zu Quereinsteigern. Auch die Grünen wollen das Lehramtsstudium in ein Bachelor-Master-System überführen. Hier sind die Vorhaben recht konkret formuliert, das ist schon einmal schön. Die Schulleitung wollen sie, wenn ich das richtig verstehe, als eigenen Beruf etablieren – das wäre, je nach Ausgestaltung, sogar wünschenswert. Und nun zu den Projekten in diesem Abschnitt:

Schulstress reduzieren und Übertritt vereinfachen ist das Projekt, das die bindenden Notendurchschnitte für den Übertritt in die weiterführenden Schulen zugunsten einer guten Beratung durch die Schule der Eltern abschaffen soll. Das ist auch wieder ein Projekt, dessen Ausgestaltung ich etwas ausführlicher sehen möchte.

Originell finde ich, dass hier als Projekt die Sanierung von 4800 Schulen und ihre Ausrüstung mit Solaranlagen angeführt wird. Man verstehe mich nicht falsch, sicher ist das ein sehr grünes und sehr lohnenswertes Ziel, aber an dieser Stelle hätte ich das einfach nicht erwartet, denn das ist ja eher im Thema Nachhaltigkeit bzw. Energie angesiedelt. Soll das dann aus dem Landestopf für Bildung finanziert werden? Wenn ja, finde ich das bedenklich.

Und letztlich gibt es noch ein Projekt, im Rahmen dessen Bildungsverlaufsdaten erhoben werden sollen. Ziel ist es, die Quote von Schulabbrechern zu reduzieren, die Wirksamkeit von Unterstützungsangeboten zu steigern und zu verhindern, dass Menschen durchs Raster fallen.

Im Abschnitt 3 gibt es dann noch einiges zu Arbeit und beruflicher Bildung, Lebensabend und Barrierefreiheit sowie Pflege und Gesundheitsversorgung und beende damit meinen Gang durch dieses Programm, denn ich denke, dass man so durchaus schon einen ganz ordentlichen Eindruck von dem bekommt, was die Grünen so wollen.

Fazit: Die Grünen bleiben sich größtenteils treu. Sie formulieren Projekte, die sie im Fall einer Regierungsbeteiligung realisieren möchten, was sie angenehm von den anderen Parteien abhebt.

Das Programm der SPD

Zukunft für Bayern. Soziale Politik für Dich. Das Zukunftsprogramm der BAYERNSPD. So steht es über dem Programm, das 84 Seiten umfasst.

Behandelt werden viele Themen, ich werde mir die Bildung (Bereich Schule) ansehen, dann vielleicht noch Gesundheit und Pflege, vielleicht auch noch Digitales. Wir werden sehen, wie viel zu den einzelnen Themen zu sagen ist.
In die Schule der Zukunft soll investiert werden, die Kommunen sollen nach dem Willen der SPD Geld bekommen. Für den Unterricht an den bayerischen Schulen werden Schwerpunkte genannt: lebenspraktische Kompetenzen wie Kommunikation und Teamfähigkeit, kritisches Denken (!), umsichtiger Umgang mit Medien und der Aufbau eines stabilen Selbstbewusstseins sollen im und mit dem Unterricht verstärkt gefördert werden. Außerdem will die SPD etwas sehr sinnvolles: Flexibles lernen in Projekten und Möglichkeiten des selbstgesteuerten Lernens schaffen. Als neue Bewertungsformen kommen Portfolioarbeiten und individuelle Lernfortschrittsgespräche hinzu (selbst wenn diese die Noten ersetzen sollen, denke ich nicht, dass das kurz- bis mittelfristig möglich wäre, selbst wenn die SPD in Bayern in Regierungsverantwortung käme).

Strukturell neigt die SPD zum Konzept „Eine Schule für alle“. Sie will die Gemeinschaftsschule zusätzlich zu den bisherigen Schularten etablieren und fördern; bis dahin soll das Übertrittszeugnis abgeschaft und durch Schullaufbahngespräche zwischen Eltern und Lehrkräften ersetzt werden. Mittelfristig soll die Klassenstärke auf 20 Kinder pro Klasse, bei Klassen mit Kindern, die besonderen Förderbedarf haben, auch weniger gesenkt werden. Multiprofessionelle Teams sollen die pädagogische Arbeit der Lehrkräfte unterstützen, die Betreuung der IT von den Lehrkräften und der Schulleitung in die Verwaltung verlagert werden.

Auch in diesem Programm wird (wenn auch nur durch die Blume) die Überführung des Lehramtsstudiums ins Bachelor-Master-System angesetzt. Ein Grundstudium, das sich nicht auf eine Schulart festlegt und ein Masterabschluss nach Stufen (Grundschule, Sekundarstufe 1, Sekundarstufe 2) soll dem Lehramt vorausgehen und es sollen mehr Praxisanteile eingebunden werden (vor allem wohl im Grundstudium). Die Besoldung soll, wie in anderen Programmen auch, für alle auf eine Stufe gehoben werden. Lehrer sollen sich regelmäßig fortbilden; hier würde ich gern, wie bei den anderen Parteien auch, gerne die Kriterien sehen.

Bildung soll von der Kita bis zum Master oder auch dem Meisterbrief nach dem Willen der SPD kostenfrei sein bei voller Lernmittelfreiheit, insbesondere für digitale Endgeräte. Auch die Lehrkräfte sollen mit Dienstgeräten ausgerüstet werden. Für die Digitalisierung soll es ein Förderprogramm für die kommunalen Träger geben. Auch hier fehlt mir zumindest der Ansatz eines Rahmens für dieses Förderprogramm.

Weiter zu Gesundheit und Pflege: Hier möchte die SPD die Profitorientierung überwinden; damit ist sie nicht allein, wichtig ist an dieser Stelle mehr das Wie. Die Vorhaben sind durchaus denen der Grünen ähnlich. Geburtshilfekliniken und -abteilungen sollen gesichert werden. Eine wertschätzende Bezahlung und menschliche Arbeitsbedingungen sollen erreicht werden, indem man in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften für flächendeckende Tarifbindung sorgt.

Die Krankenhausreform, die ja auf Bundesebene aus dem Hause der SPD kommt, soll konstruktiv begleitet werden. In dem Absatz finden sich viele Schlagwörter, ich sehe aber auch nach der Lektüre nichts Klares, insofern stehe ich gerade diesen Worten kritisch gegenüber, denn wenn etwas durchscheint, dann ist das eine Anlehnung an eben jene Reformpläne, die ich nicht befürworte.

Die Versorgung von Kindern ist einen eigenen Absatz wert, sie soll gesichert werden und Defizite im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie sollen behoben werden. Etwas später im Text kommt noch der Absatz zur Psychiatrie und Psychotherapie, der ebenfalls Kinder und Jugendliche im Fokus hat und den ich an dieser Stelle abarbeite. Die SPD scheint hier vor allem die stationäre Psychiatrie im Blick zu haben und hier vor allem die geschlossenen Abteilungen und die Zwangsmaßnahmen, die sie reduzieren möchte. Sozialpsychiatrische Krisendienste sollen gesetzlich verankert werden, die vorhandenen Krisendienste nach PsychKHG sollen personell und organisatorisch aufgestockt werden. Ein Landespsychiatriebeirat soll gegründet werden, sozusagen als Kontrollorgan, allerdings wird nicht erwähnt, wie der ausgestaltet werden soll. Die Möglichkeit, auf den großen Bedarf an psychotherapeutischen Angeboten einzugehen, um die Wartezeiten auf Therapie zu verkürzen oder gar zu verhindern, nimmt die SPD in diesem Programm nicht wahr. Ich finde das ausgesprochen bedauerlich, allerdings ist diese Partei damit auch nicht allein.

Der „Masterplan Medizinstudium 2020“ soll aufgegriffen und ausgebaut werden, vor allem, weil eben im ländlichen Raum Ärzte gebraucht werden. Dazu soll in die Ausbildung in Pflege- und anderen Gesundheitsberufen investiert werden.

Die Rahmenbedingungen für die Berufe im medizinischen Bereich will die SPD verbessern und so die Überlastung des Personals verhindern. Regeln bezüglich der Personalbemessung und -ausstattung, entlastende Arbeitszeitregeln, Kinderbetreuung, die auf den Bedarf der Berufsgruppen ausgerichtet ist und Anreize zum Wiedereinstieg in den Beruf und zur Aufstockung von Teilzeitarbeit sind Teil des Plans. Auch hier kommt es natürlich sehr darauf an, wie das alles ausgestaltet wird; wenn es mit den Regeln bei bloßen Empfehlungen bleibt, ändert sich nichts. Insgesamt soll die Pflege nicht dem freien Markt überlassen werden, Angebot und Nachfrage von Angeboten sollen beobachtet werden. Die SPD will auch den kostendruck mindern und die Eigenbeteiligung deckeln. Eine weitere Idee, die im Programm zu finden ist, ist eine solidarische Pflegevollversicherung auf Bundesebene. Für pflegende Angehörige plant die SPD Lohnersatzleistung, Beratung, Tagespflegeeinrichtungen und Nachtpflegestellen.

Gesundheit für alle soll durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst erreicht werden, der für Gesundheitsförderung und Prävention zuständig wäre. In Gesundheitskiosken soll Beratung in mehreren Sprachen stattfinden und es sollen gesundheitsfördernde Programme angeboten werden. Leider findet sich hier auch nicht mehr zur Ausgestaltung, das hätte mich jetzt wirklich interessiert. In Forschung und Lehre will die SPD die Gendermedizin stärken; damit ist nicht etwa das gemeint, worauf so viele Menschen allergisch reagieren. Nachdem inzwischen hinreichende wissenschaftliche Nachweise vorhanden sind, dass Frauen und Männer unterschiedlich erkranken, unterschiedlich auf Medikamente reagieren und insofern tatsächlich unterschiedliche Therapien brauchen, soll das nach dem Willen der SPD verstärkt Eingang in Forschung und Lehre bekommen.

Die notärztliche Versorgung auf dem Land soll verbessert werden, hauptsächlich durch Tele-Notärzte und eine Kompetenzerweiterung der Rettungsdienste.

Der Abschnitt endet mit einer erneuten Betonung des Vorhabens, das Profitmotiv im Gesundheitswesen zurückzudrängen. Kliniken und stationäre Pflegeeinrichtungen sollen rekommunalisiert werden, die Privatisierung eingeschränkt und eine zentrale Beschwerdestelle in Zusammenarbeit mit Krankenkassen und Personalvertretungen soll eingerichtet werden.

Fazit: Gerade im kostenintensiven Bereich bleibt das Programm der SPD ein wenig undurchsichtig; das ist grundsätzlich verständlich, denn man weiß ja nie, wie man budgetieren kann, aber so bleibt halt wirklich die Vision im Nebel der Unsicherheiten, was angesichts guter Ansätze wirklich schade ist. Es ist möglich, dass das Programm an anderen Stellen konkreter wird, deshalb auch hier der Hinweis darauf, dass das Programm als PDF heruntergeladen werden kann.

Moralinsaurer Neopuritanismus

Langsam, aber sicher reicht es mir mit unseren Medien und der sogenannten Verdachtsberichterstattung. Das ist die Berichterstattung, die Anschuldigungen, Anwürfe, moralische Verwerflichkeiten und dergleichen mit seitenweiser Hingabe in aller epischen Breite, deren die sogenannten Journalisten fähig sind, vornehmlich auf unsere Bildschirme pflastert. Gerne verbunden, mit der Forderung, dem Übeltäter die Lebensgrundlage zu entziehen und ihn weitestgehend gesellschaftlich zu ächten. Oh, hehres Heldentum des moralinsauren Neopuritanismus!

Okay, lassen Sie mich eine Geschichte erzählen von einem Typen, der nun wirklich gar kein Sympathieträger ist. Dem Mann war kein Witz zu schlüpfrig, keine Pointe zu dreckig. Er hat viel über Sex geredet und als Standup-Comedian auch viel darüber „gescherzt“. Russell Brand. Ich persönlich finde den Kerl wirklich widerlich, aber nun, es gab einen Markt und ich bin nicht verpflichtet, mir das anzutun, was der Mann so von sich gibt.

Und dann kamen neulich die Daily Mail, BBC und Channel 4 damit um die Ecke, dass er ein sexsüchtiger Vergewaltiger sei. Und ja, wer seinem Werk hier und da über den Weg gelaufen ist, der wird sagen: Das passt zu ihm. So weit, so unklar, denn: Was wir bis heute, 23.09.2023, wissen, ist, dass Frauen sich mit ihren Geschichten an die Presse gewandt haben und die Presse diese Geschichten auch aufgegriffen hat. Sicherlich haben die Journalisten das, was sie da berichten, überprüft. Diese Prüfung ist aber himmelweit von einer gerichtsfesten Beweislage entfernt und deswegen nennt man das, was die Herrschaften da berichten auch

VERDACHTSBERICHTERSTATTUNG.

Das heißt, es steht ein Verdacht im Raum und der muss erstmal bewiesen werden. Lächeln und atmen, meine Damen und Herren. Denken Sie gerne, dass das zu ihm passt, kein Problem. Wenn es nur das wäre, dann bräuchte ich den Schrieb hier nicht zu schreiben.

YouTube, wo Russell Brand einen Kanal hat, hat reagiert, indem sie ihm die Möglichkeit entzogen haben, mit seinem Content Geld zu verdienen. Auf eine VERDACHTSBERICHTERSTATTUNG hin. Verdacht. Bisher kein gerichtsfester Beweis vorhanden.

Es gibt wohl, wenn ich das richtig überblicke, polizeiliche Ermittlungen. Das finde ich persönlich gut, denn dann können wir sehen, was da jetzt so alles genau dran ist. Wenn es ein Gerichtsverfahren gibt, wird es spätestens im Anschluß auch Akten geben, denen zu entnehmen ist, inwieweit der Verdacht sich bestätigt hat. Und wenn der Verdacht sich bestätigt, dann wird der Mann verknackt, das können Sie mir glauben, denn dann sind das üble Straftaten. Aber so weit sind wir noch lange nicht.

Das interessiert YouTube jetzt nicht, dort hat man Angst, dass der schlechte Ruf des Verdächtigen auf die Plattform zurückfällt und also bleiben die Videos zwar öffentlich (was dafür spricht, dass sie nicht gegen die YoutTube-Regeln verstoßen), aber sie bringen kein Geld mehr (und werden folglich auch nicht mehr so oft angezeigt, was sie auf längere Sicht in Vergessenheit geraten lässt). Nachdem Russell Brand inzwischen wohl hauptsächlich von seinen Aktivitäten in sozialen Medien lebt (YouTube, TikTok, Rumble, Instagram, dergleichen), ist das in der Tat mit einer Bedrohung seiner Lebensgrundlage verbunden. Auf einen Verdacht hin!

In Deutschland scheint da nicht so sehr viel anzukommen – um auf Twitter etwas darüber zu finden, musste ich gezielt nach ihm suchen, die Hashtags sind nicht im Trend. Unsere „Qualitätsmedien“ berichten selbstverständlich, allerdings muss man da auch auf die Suche nach dem Namen gehen, meine Lieblings-Klatschsendung im Fernsehen sagt nichts dazu. Aber Russell Brand ist in Deutschland wohl auch weniger bekannt, da ist er nicht so unglaublich interessant.

Was mich aber anficht: Kein Medium, das ich bisher gesehen habe, unterscheidet zwischen Recht, Gesetz und Moral – und das nicht erst seit diesem Fall. Es gibt sogar in den Tiefen des Internet ein Buch, das eine Anleitung zur sozialen Zerstörung von Männern enthält. Inhalt in Kürze: Formuliere erst den Verdacht, sorge für Berichterstattung in den Medien und hol dann die Behörden ins Boot. Und gerade wenn dieser Verdacht mit Sex und unmoralischem bis kriminellem Verhalten bezüglich Sex zu tun hat, funktioniert das ganz fabelhaft. Greg Ellis, ebenfalls ein britischer Schauspieler, hat seine Erlebnisse mit diesem Vorgehen in einem Buch zusammengefasst und veröffentlicht (The Respondent) und der Prozess, den Johnny Depp gegen seine geschiedene Frau geführt hat, ist vielen auch noch in Erinnerung. Letzterer Fall ist ein Lehrbeispiel für das oben angeführte Vorgehen.

Die Menschen, die beschuldigt werden, ohne sich schuldig gemacht zu haben (oder in einem wesentlich geringeren Ausmaß als berichtet), werden für den Rest ihres Lebens mit den Vorwürfen zu kämpfen haben – auch das sehen wir gerade am Beispiel Johnny Depp, der nun mit „Jeanne du Barry“ einen neuen Film in die Kinos gebracht hatte, in Frankreich auf französisch gedreht und in Cannes vorgestellt. Kein Bericht über den Film, der nicht mindestens in Kürze den Zivilprozess gegen die geschiedene Gattin erwähnt hätte, wenige, die darauf verzichtet haben, noch einmal moralische Zweifel zu äußern.

Die sozialen Medien feiern große Erfolge, das Befinden der Betroffenen wird dem Anzeigenverkauf untergeordnet. Letztlich handelt es sich in den meisten Fällen um das, was so schön „Clickbait“ (Klickköder) genannt wird. Sex sells und moralische Überlegenheit erst recht. Ja, es tut gut, sich wertvoller zu fühlen als ein überbezahlter Schauspieler, ein bekannter Moderator oder einfach ein Mann, der auf andere Weise zu Ruhm, Ehre und Bekanntheit gekommen ist. Und wenn man das fühlen kann, ohne dass es eine Anzeige, eine formelle Anklage oder gar ein strafrechtliches Urteil gibt, dann macht man das eben, auch (und gerade), wenn man selbst hier und da mal Dinge getan hat, die moralisch nicht so ganz einwandfrei sind. Hauptsache, man ist besser als dieser reiche, berühmte Mensch, Hauptsache, man kann fordern, dass der soziale Kopf rollt und der Unmensch nie wieder mit seinem öffentlichen Auftreten Geld verdient!

Damit nicht genug. Das britischen Parlament hat ein Komitee für Kultur, Medien und Sport und da gibt’s auch eine Vorsitzende, Dame Caroline Dinenage (der Titel ist übrigens in etwa das Äquivalent zur deutschen Freifrau, wenn ich mein Wörterbuch richtig deute). Und diese Dame (Wortspiel beabsichtigt) hat nun Briefe geschrieben, und zwar unter anderem an BBC, Channel 4, Sun und TikTok.

Die Briefe sind auf der offiziellen Website des Parlaments in einer Meldung vom 19. September zu finden. Es gab dann offensichtlich auch noch Briefe vom 20. September, die ihren Weg an die Öffentlichkeit gefunden haben, zum Beispiel an Rumble, die in den sozialen Medien zu finden sind, nicht aber auf der Website des Parlaments.

Inhalt, kurz gesagt: Die Ausschussvorsitzende hofft sehr, dass der jeweils Angeschriebene dafür sorgt, dass Russell Brand keinerlei Einnahmen mehr aus seinen Internetaktivitäten erzielen kann und man sich freundlicherweise an der Ächtung des Herrn in sozialen Netzwerken beteiligen möge.

Das eröffnet einen neuen Aspekt, vor allem bezüglich des Einspannens von Institutionen für eigene Zwecke. Wenn man einen parlamentarischen Ausschuss vor den Verdachtskarren spannen kann, hat das wirklich eine ganz neue Qualität und das ist keine gute. Wenn Behörden Einfluß auf Unternehmen auszuüben versuchen, um einzelne Menschen in ihrer (Berufs-)Tätigkeit einzuschränken und ihnen vielleicht sogar die Lebensgrundlage zu entziehen, dann sind wir an einem Punkt, der mir persönlich viel zu nah am Totalitarismus ist. Das darf meiner Ansicht nach nicht passieren, noch nicht einmal, wenn es eine strafrechtliche Verurteilung gibt. Das darf einfach nicht passieren, egal, wie man zu den Anwürfen, dem Verdacht oder der nachgewiesenen Tat steht.

Mein persönliches Vorgehen, wenn ich solche Berichterstattung (oder Beiträge in sozialen Medien) sehe:

1.) Gibt es polizeiliche/staatsanwaltliche Ermittlungen?
2.) Wird die Person, die den Vorwurf erhebt, namentlich genannt? Wird ein Bild veröffentlicht?
3.) Wenn die Antwort auf den zweiten Punkt „ja“ lautet: Wurde Strafanzeige erstattet?
4.) Wenn nein: Womit wurde der Verzicht auf eine Strafanzeige begründet?
5.) Wurden schwere Verletzungen angegeben? (Knochenbrüche, offene Wunden, Prellungen, die sichtbar gewesen sein müssten)
6.) Wenn ja: Gibt es medizinische Dokumentation?

Das klingt alles recht kalt, sicher. Wenn man sich aber auf diese Art durch die entsprechenden Artikel hangelt, erfasst man recht schnell, ob die Grundlage der Berichterstattung solide oder doch eher brüchig ist.

Beispiel: Ein Faustschlag ins Gesicht mit einer Hand, an deren Fingern große Ringe stecken, hinterläßt Spuren, die man nicht ohne ärztliche Hilfe einfach so abheilen lassen kann. Die davon verursachten Schwellungen kann man nicht durch Kühlen beseitigen und überschminken kann man solche Verletzungen nur eingeschränkt. Und wenn man Schauspielerin von Beruf ist und einen Nasenbeinbruch erleidet, dann wird man sich schnellstmöglich beim nächstgelegenen Facharzt melden. Dann gibt es medizinische Unterlagen, die die Verletzungen dokumentieren, egal, welche Story man dem Arzt erzählt hat. Wenn man so etwas aber einem Journalisten erzählt, der das für bare Münze nimmt und prompt berichtet, ohne nach den Behandlungsunterlagen zu fragen, dann stimmt da halt etwas nicht und als Leser sollte man durchaus misstrauisch werden und mit der Verurteilung des Verdächtigen sehr zurückhaltend sein. Das ist jedenfalls meine Meinung.

Und deswegen schreibe ich diesen Artikel: Damit Sie, lieber Leser, liebe Leserin, gerade Verdachtsberichterstattung hinterfragen, vor allen Dingen dann, wenn es darum geht, einen Menschen sozial zu ächten und seine berufliche Existenz zu vernichten. Oft genug finden sich in sozialen Medien nämlich eben solche Anschuldigungen gegenüber „ganz normalen“ Menschen, verbunden mit der Aufforderung zur Ächtung. Da liest man dann auch von Leuten, die mit der Angelegenheit nichts zu tun haben, dass sie den Arbeitgeber des Verdächtigten kontaktiert hätten mit der Frage, ob so ein moralisch fragwürdiger Mensch wirklich dort beschäftigt werden müsse.

Es ist einfach, einen Mob zu entfesseln und es ist bedauerlicherweise auch einfach, in den Sog eines solchen Mobs hineingezogen zu werden. Achten Sie bitte darauf, dass Ihnen das nicht passiert. Hinterfragen Sie solche Meldungen und halten Sie sich zurück, bis der Nebel der Anschuldigungen sich lichtet und ein klarer Blick auf die Tatsachen möglich ist.

Was mich an solchen Berichten am allermeisten wütend macht, ist der Schaden, den sie für die Opfer tatsächlicher Gewalttaten anrichten. Es ist nicht möglich, einem Opfer einer Gewalttat einfach so zu glauben, da ist immer eine Prüfung vonnöten. Und je intensiver in der Berichterstattung die Wahrheit verbogen wird, je mehr gelogen oder übertrieben wird, desto schlimmer wird es für die Menschen, die tatsächlich Gewalt erlebt haben und den Nachweis darüber führen müssen. Desto angstbesetzter wird der Gang zur Polizei, zur Staatsanwaltschaft. Desto größer die Furcht, man könne ihnen nicht glauben. Und das ist das ganz besonders Perfide.

Achten Sie auf das, was Sie unwidersprochen glauben. Suchen Sie nach Quellen und suchen Sie nach Lücken in der Berichterstattung. Und springen Sie nicht auf den Karren auf, der durch soziale Medien rollt, auf dem die Menschen sitzen, mit Steinen werfen und „hängt ihn höher“ brüllen. Auch wenn der Verdächtigte ein wirklich, wirklich unsympathischer, schmieriger, widerwärtiger Typ ist. Das heißt noch lange nicht, dass alles stimmt, was man über ihn sagt. Warten Sie ab, es eilt nicht.

Weiterführende Links zum YouTube-Kanal „BlackBeltBarrister“:
Russel Brand: This is the ONLY truth of the matter thus far
Russell Brand: UK Government Committee Steps in
Committee Writes to X Corp about Russell Brand

Misogyny, Harassment and the Internet

Faust, die durch eine Glasscheibe schlägt

If you are reading this, I assume you participate in social media – otherwise, there are rarely people who stumble upon my blog. I don’t resent that, as there are readers here and there and in rare cases, a discussion comes up. Anyhow, as I caught a cold, I had the oportunity of watching Richard Hoeg’s Hang-outs & Headlines on YouTube today and I have a bit of time on my hands to write down what I think. My opinion, so to speak. Subject of today’s edition was a Washington Post article titled YouTube remains rife with misogyny and harassment, creators say.

So, here we go again, on the never stopping merry-go-round that is behavioural criticism on the internet. The article in question refers only to YouTube, but, honestly, it is the same just everywhere. When I joined the exclusive circle of what today is called content creators, there was no such thing as social media in the way we know it today. Back then, we had nothing, least of all bandwith. But we had newsgroups on the Usenet and, later on, forums and message boards. Text only, low bandwith, no memes – spaces where you had to put your thoughts in actual words and you needed to explain yourself. There was a guideline as to how to behave, so that discussions could be had within reasonable boundaries: The Netiquette.

Discussions were direct, matter-of-factly, sometimes heated, and there were the occasions when users crossed lines they better wouldn’t. And even then, without those beautiful technologies we have today, there was harassment, there was anger, there were threats, there was doxxing. It was a little more difficult to do, but if you knew how, there was not that much of a problem. So, what’s the huge difference between then and today?

1. Who threw the first toy?

There are those occasions when you look at your news stream (be it Twitter, facebook, YouTube, whatever) and you feel as if you were at a playground with four year olds who are throwing sand toys at each other. Yes, there were occasions on the Usenet when you could feel that, too – but those were far rarer. Perhaps, because it was less people and far more focused on topics. When people started to clown about or got off topic, their messages were just pushed into another group, along with a followup link.

Today, before getting into factual discussions, we need to discuss how to discuss – and the loudest user(s) get to make the rules, in general. Not those with the facts, no. Those who can make the most noise. And it is them who define which behaviour is named how, thus not only ruling over the discussion, but also how the content is to be understood – and judged. Someone says ‚I like bacon‘ and when the time and place is right, a mob of users will attack the disgusting animal abuser. That person, in return will opine on people’s comments in – ahem – quite a harsh way and within under a minute you can watch the sandbox wars unfold in all their glory. Darth Bacon and Princess Sunflower will fight until there are no winners.

This is, of course, completely inane, but, alas, I know no one (not even myself!) who is immune to pitching in. It’s a free world allowing free speech, isn’t it? No one said that this speech needs to be sensible. And, if we’re honest, it is not about bacon or tofu. It’s about unloading, even dumping the day’s stress. Boss was mean? Well, Princess Sunflower is a very good avatar, may she sit at home and cry her eyes out! And that’s the problem: In this case, she is an avatar, nothing else. That leads us to things that have existed from the beginning of time up until today, because we are humans and humans are not at all perfect.

2. Misogyny

So let’s talk about how those sandbox wars are fought. How do you get to rule over a discussion? Well, the first step is to shape facts to your needs. The Merriam-Webster dictionary defines misogyny as hatred of, aversion to, or prejudice against women. Nota bene: women, plural. So, if you want to own a discussion where a woman (singular) is affected, you just define your needed term anew, even if this is linguistically just wrong.

Here’s what I’m talking about:

The sentence ‚Elena Example is dumb.‘ is unflattering, but not at all misogynistic. If you say ‚Elena Example is a woman, that’s why she is dumb.‘, it is definitely misogynistic. The trick to be the ruler of the discussion is to expand the meaning of the latter to the meaning of the former. This can be done with each and every buzzword that is currently in use (e. g. sexism, racism). As soon as you have established your definition of those words, you can accuse anyone of anything and, as a consequence, make social media providers change their regulations according to your needs. Quite neat, huh?

3. Harassment

Harassment is a different and far more difficult matter as it has so many facets. Let me just say this: If you call somebody out for lies they tell and you do so repeatedly, it can feel to them like harassment, but it needn’t be that. If you go after people with lies you tell about them and you do so continually, it is harassment and might even be punishable by law (at least in Germany, but I don’t think that it is very different elsewhere). As a matter of fact, this is a very common method of people too dumb to make a point (mostly because of not having one) to shut others up. Doesn’t work, but is widely used, unfortunately.

4. News

Now, here is a sensitive topic. Let’s start with commercial outlets, the so-called mainstream media. Once upon a time, when I was young, a newspaper (as well as a radio or TV programme) was there to report news and sold advertisements to support this goal. In the meantime, the market changed a lot. Not only are there more newspapers etc., but we have the internet. To maintain the earnings from advertising, you need to be faster than all the others; an internet platform will earn next to nothing from the news themselves (in form of subscriptions), so you need to be aggressive about advertising. That’s where the much critizised clickbait comes from. In a nutshell: today, the sale of advertisements is supported by news. That has quite some effect on the quality of the news we are presented with, especially in the entertainment sector.

It is of absolutely no interest if a bit of news is true, half true or just a rumour that later turns out to have no truth to it at all – if it is there and it is in the slightest way justifiable to put it out there, it will be put out there. The more scandalous, the better. The more lurid, the more valuable. That is where the money lies. Celebrities are the ones who suffer the most from this behaviour. Be it a youthful prince in a scandalous situation, be it a movie star accusing her boyfriend of violence against her. Drunk driving, consuming drugs, partying too hard, kissing someone other than the spouse, being naked on a private beach while on holiday, no matter what, it is news, especially if there are photos. Careful, accurate reporting is not at all a thing. There is no time nor money for investigation. And this is the gateway for ‚journalists‘ who want to shape the world to their ideas of right or wrong. This kind of journalist need not investigate; they regard their view as the gold standard and they use publications – and reputable ones – for their own ends. And they are not alone; there is always a political agenda behind that: being socially influencial, having the upper hand in social discourses.

For content creators who do that on their own dime and in their spare time, the rules are different. They do not depend that much upon the sales of advertisements. Sure, they, too, need money to keep the channel (blog, account) going. There are some who live off their content, of course. But they are not under that much strain, so they say what they want to say how they want to say it; there’s no need to be fast. They can take their time to get information. And they can afford to choose their topic and stay on it. Compared to journalists with deadlines and assignments, this is a very luxurious position. I don’t say that their content is more accurate – but often it is. I don’t say that they are right – but they can voice their opinion and leave it to the consumer to fill the gaps with further information. All in all, they need not do the following (although some surely do):

5. Divide and Conquer

To be of relevance, you need the above mentioned upper hand. You could, of course, investigate and report facts. But that doesn’t stir emotions. Reporting without emotions feels cold. That won’t earn rapport from users and this is what you need. So, what do you do? You divide people in groups. Pro-this, against-that. The more controversial, the better. That way, a lot of people will not only read your articles, listen to your podcasts, watch your videos, no, they will comment and they will do that very emotionally. The best thing that can happen are threats, having people going after each other. You get loads of page impressions and even more comments – which sell, you guessed it, advertisements. Win-win. Except for society. We lose our ability of compassion and of tolerance. Everyone is a possible enemy and what was an emotional outlet on a bad day suddenly becomes an all-consuming war, where we fight for our lives, perhaps our livelihood.

I can’t see how laws and regulations will do anything to contain this kind of behaviour. They never have, not even for the pub talk before the internet. What we need is to learn how to cool down, to refrain from reacting to provocations. Be levelheaded. That’s not easy and it doesn’t work every time. We are humans, not saints. But before you let other people manage and use your emotions, try and take a step back. If someone calls you transphobic, look at what they refer to. Think about how important it is to correct the wrong statement of another person. Is your reputation really at stake? Are you letting a complete stranger hurt your feelings? If so, why? Try and separate other people’s problems from yours. You’ll see that most problems are not even yours. Most aggressions are not even really directed at you. Keep talking to people who know how to behave. Accept other people’s opinions, even if you do not agree. Agree to disagree. And don’t let others drive you into radical behaviour that at the end of the day robs you of your social abilities like friendliness, understanding and compassion.

As always: These are my views. It is not a report of facts, but of what I see unfold in those parts of the internet I spend my time in.

Welttag der Sozialen Gerechtigkeit

2009 haben die Vereinten Nationen den Welttag der Sozialen Gerechtigkeit eingeführt; er soll an das Leitbild der sozialen Gerechtigkeit der Gemeinschaften erinnern, nach dem die Verteilung der Güter den vorherrschenden ethischen Prinzipien entspricht. Vorgestern war es mal wieder so weit und irgendwie scheint das untergegangen zu sein. Hier dann also ein paar Gedanken dazu.

Die gute Frage ist, was soziale Gerechtigkeit denn so eigentlich ist, vor allem, wenn man sie weltweit betrachtet. Es gibt so viele Unterschiede, so viele verschiedene Ansichten darüber, was Gesellschaft ist und was Gerechtigkeit. Wenn wir uns US-amerikanische Krimis ansehen, dann kann Gerechtigkeit durchaus den Tod bedeuten – vor allem den derer, die vorher das Leben anderer genommen haben. Bringt die Todesstrafe aber wirklich Gerechtigkeit? Ich bezweifle das. Oder die indigenen Völker Amerikas: Welche Gerechtigkeit widerfährt denen? Sie haben vollkommen andere Vorstellungen von dem, was Gesellschaft ist, wie Zusammenleben funktioniert – und auch davon, was gerecht ist. Dafür wurden sie von der Entdeckung Amerikas an belogen, betrogen und ermordet. Sie wurden „bekehrt“, damit der christliche Glaube sie Demut lehre und dafür sorge, dass sie anerkennen, dass das Land in kleine Häppchen aufgeteilt und einzelnen Menschen als Eigentum zugesprochen werden kann. Ein Konzept, das ihrer Kultur vollkommen fremd war. Ebenso die Seßhaftigkeit, denn die Mehrheit der indigenen Völker waren Nomaden.

Die asiatische Kultur, je nach Zeitalter und Standort, ist uns hier im Westen fremd, so manches erscheint uns hoch kultiviert, anderes wieder barbarisch. Die Wurzel, aus der die heutige chinesische Regierung entspringt, ist genau diese, auch wenn wir das nicht anerkennen wollen. Die totale Überwachung der Menschen dort, das Vergeben von Punkten für Wohlverhalten mag dem einen Freiheit, dem anderen eine Fessel bedeuten.

Wir, der „Westen“, die wir uns hoch zivilisiert wähnen, leben auf Kosten derer, deren Arbeitskraft wir besonders billig bekommen können – für Fünf-Euro-T-Shirts und billige Leberwurst. Was also wäre soziale Gerechtigkeit?

Ich halte es da mit Friedrich dem Großen, auch wenn der mit dem folgenden Zitat „nur“ auf Religionsfreiheit abzielte:

In meinem Staate kann jeder nach seiner Façon selig werden.

In meinen Augen lässt sich das ganz gut auf alle Lebensbereiche ausdehenen. Jeder sollte und kann seine Kultur pflegen – solange er die anderen nicht einschränkt. Jeder sollte und kann seine Religion ausüben – solange er nicht anderen diese Religion aufoktroyiert. Jeder sollte und kann er selbst sein – solange er nicht anderen vorschreibt, so zu sein wie er.

Bei der Vielfalt an Kulturen, Religionen, Lebensentwürfen, Vorstellungen von Glück wird es schwierig, soziale Gerechtigkeit zu erreichen – es sei denn, wir würden tatsächliche Toleranz lernen. Mehrheiten, die einfach aushalten und anerkennen, dass es Minderheiten gibt; und umgekehrt. Dazu müssen wir zuvorderst lernen, nicht alles als „Haß“ zu bezeichnen, was eigentlich Unverständnis ist oder auch eine Grenze, die der Betreffende nicht zu überschreiten bereit ist. Wir müssen lernen, unsere Empörung auf ein sozialverträgliches Maß herunterzukochen und Entscheidungen zu treffen.

Oft genug passiert es, dass wir Gerechtigkeit mit anderen Dingen verwechseln: Wirtschaftlicher Status ist da ein gutes Beispiel. Ist es sozial gerecht, wenn wir einem afrikanischen Bauern denselben wirtschaftlichen Status wünschen wie uns selbst? Oder ist nicht etwa der Wunsch nach einem entbehrungslosen, zufriedenen Leben für diesen Bauern näher an sozialer Gerechtigkeit? Reichtum ist auf der einen Seite nicht alles, auf der anderen Definitionssache. Reichtum kann es auch sein, genug zum Leben zu haben und gleichzeitig das Leben genießen zu können. Dazu muss man nicht zweimal jährlich in Urlaub fahren, jedes Wochenende in die Disco (Verzeihung: in den Club) gehen und auch nicht jeden Tag ein deftiges Fleischgericht zu sich nehmen. Auskommen mit dem Einkommen, das tun zu können, was man tun möchte, mit den Menschen Zeit zu verbringen, die man liebt.

Aber einfach mal zurück in unser Land: Ist es gerecht, wenn die einen sich dem Kunstgenuss (inklusive Champagner) in der Elbphilharmonie hingeben und die anderen so wenig haben, dass sie noch nicht mal eine eigene Wohnung bezahlen können? Ist es gerecht, dass Eltern jeden Monat das Kleingeld abzählen müssen, damit ihr Kind zweimal im Monat schwimmen gehen kann? Sicher nicht.

Soziale Gerechtigkeit lässt sich meiner Ansicht nach nur räumlich begrenzt erreichen. Dazu sind die Wünsche und die Sehnsüchte der Menschen weltweit viel zu unterschiedlich. Es ist ehrenvoll, sich dafür einzusetzen, dass wir in unseren „zivilisierten“ Ländern für die Zwiebeln und den Kaffee genug bezahlen, um soziale Gerechtigkeit in den Herstellerländern zu ermöglichen. Wichtig ist, dass wir uns hier darum kümmern, dass die Menschen vor Ort soziale Gerechtigkeit erfahren – und das nicht nur wirtschaftlich. Zur Teilhabe an der Gesellschaft gehört die Anerkennung des Menschen so, wie er ist. Und das ist verdammt schwer, wenn uns andere Menschen fremd sind, sie anders reagieren als wir und sie anders aussehen als wir. Diese Unterschiede zu sehen und anzuerkennen ohne zu urteilen, das ist es, was wir zunächst anstreben sollten. Das ist meine Meinung. Die muss niemand teilen. Aber sagen muss ich sie jederzeit dürfen.

Geschlechtsfragen

Unter dem Hashtag #solidaritätmittessa wird auf Twitter die Diskriminierung von Transfrauen diskutiert. Anlass ist die Debatte zum internationalen Frauentag am 8. März. Im Rahmen der Debatte äußerte sich Frau von Storch in sattsam bekannter, wirklich diskriminierender Art und griff Tessa Ganserer, eine Abgeordnete der Grünen, massiv an – weil sie transgender ist.

Über Frau von Storch kann ich mich nicht mehr aufregen, dazu ist mir wirklich meine Zeit zu schade. Ja, ich weiß, eigentlich müsste ich mich hier länglich über die Gülle auslassen, die sie über dem Haupte all derer auskippt, die nicht ihrer Meinung sind. Ich lasse es. Dazu gibt es im Internet genug zu lesen und ich will dieser Frau nicht mehr Raum bieten als sie sowieso schon hat.

Dummerweise habe ich meine Probleme mit einem hartgesottenen Grüppchen vorwiegend biologisch und sozial weiblicher Kämpfer für soziale Gerechtigkeit, die das soziale Geschlecht nutzen, um Keile zu treiben – und bin deswegen mal wieder auf mich selbst reingefallen. Anlass war ein Tweet mit folgender Aussage:

Ich soll einen biologischen Mann als Frau bezeichnen, gleichzeitig soll ich mich als ‚Mensch mit Uterus‘ bezeichnen lassen und akzeptieren, dass Menschen mit Penis in Frauenschutzräume eindringen dürfen.
Einfach nur noch ‚Nein‘

So wird das nix.

#SolidaritaetMitTessa

Zugegeben, ich hatte mich mit dem Problem, das die Äußerungen über Tessa Ganserer erzeugt hatte, nicht wirklich beschäftigt, hatte auch die Debatte im Bundestag zu dem Thema weitgehend ignoriert. Das war ein Fehler, vor allem, was den Retweet anbelangt. Fangen wir also mit der Ecke an:

Liebe Frau Ganserer, es tut mir wirklich leid, wenn der Eindruck entstanden sein sollte, dass ich die Identität, die Sie für sich gewählt haben, nicht anerkennen würde. Das ist ganz bestimmt nicht der Fall. Mich regt etwas ganz anderes auf.

Und jetzt zum aufregenden Teil der Geschichte:

Ich oute mich jetzt mal als sprachlich konservativ. Das heißt, dass ich keinen Sinn darin sehe, die Sprache als Veränderungsmechanismus für gesellschaftliche Probleme zu nutzen. Dass ich damit zwar nicht ganz allein, aber auch nicht unbedingt in der Überzahl bin (vor allem in sozialen Medien), ist mir klar. Grundsätzlich ist mein Motto „Leben und leben lassen“ – wer findet, dass es ihn (oder sie) weiterbringt, wenn Wörter Binnen-Is, Gendersternchen oder sonstige Sonderzeichen enthalten, die dafür sorgen, dass sich alle mitgemeint fühlen, soll das halt machen. Ich muss ja nicht lesen, was diese Menschen schreiben, insofern ist das schon ok. Das einzige, was mich daran wirklich stört, ist die fehlende Rücksichtnahme auf Menschen mit Behinderungen, beispielsweise Blinde und Legastheniker, die damit nicht unbedingt gut zurechtkommen. Das habe ich schon oft angesprochen, wurde deswegen auch oft frauenfeindlich oder queerfeindlich genannt – nun, dann ist das so. Ich finde es rücksichtslos, auf Kosten einer Gruppe auf eine andere Rücksicht zu nehmen. Wenn das „feindlich“ sein soll, ja, dann bin ich wohl „feindlich“. Ich selbst schreibe und spreche meistens mit dem generischen Maskulinum, wenn ich alle meine. Das muss niemand akzeptieren, das darf gerne angeprangert werden, für mich ist es die einfachste Methode.

Neuerdings hat man sich im ZDF wohl auch darauf geeinigt, das Binnen-I (oder den Genderstern, wie auch immer) mitzusprechen. Für mich hört sich das an, als hätte der Sprecher (bzw. die Sprecherin) Schluckauf. Ich stolpere regelmäßig darüber und hänge dann dem, was mir vermittelt werden soll, ein Stück hinterher. Aber auch hier: Ich muss ja nicht. Vielleicht gewöhne ich mich ja auch irgendwann daran. Heißt: Es stört mich, sicherlich. In der Aufnahme von Informationen, im Lesefluß. Manchmal nervt es mich. Normalerweise lasse ich die Leute, aber wenn mich das zum Feind macht, siehe oben.

Wofür ich kein Verständnis habe, sind Toleranzforderungen, die an mich herangetragen werden (ebenfalls aus sozialen Medien heraus). Es gibt einfach Toleranzen, die ich nicht leisten kann. So wurde mir erklärt, dass ich mit einer Frau, die sich als Mann definiert, sexuellen Umgang haben müsste, weil ich sonst transfeindlich wäre. Nun, ich bin definitv heterosexuell und auch etwas prüde. Das bedeutet, dass ich eben nicht mit jedem Sex haben möchte, der mir so über den Weg läuft. Voraussetzungen für Sex sind bei mir Liebe und Vertrauen. Sehr großes Vertrauen, übrigens. Das bedeutet, dass ich noch nicht mal mit jedem biologischen Mann, der sich als solcher definiert, Sex haben möchte. Die Anzahl dieser Männer ist tatsächlich ausgesprochen klein (derzeit liegt sie bei 0). Und mit wem ich Sex habe, geht eigentlich auch keinen etwas an. Würde mich jetzt also ein Transmann zum Sex bewegen wollen, würde der vermutlich auf Granit beißen. Das hat mit Trans oder nicht Trans nichts zu tun. Es hat was damit zu tun, dass Vertrauen aufgebaut werden muss und das geht nicht im Verlauf eines Kneipengesprächs.

Insgesamt ist Sex – und damit das biologische oder soziale Geschlecht – meiner Mitmenschen größtenteils vollkommen uninteressant. Viel wichtigere Fragen sind: Mag ich diesen Menschen? Kann ich mit diesem Menschen gut zusammenarbeiten? Verstehe ich mich mit diesem Menschen gut? Und da ist sowohl Sex als auch Geschlecht ein vollkommen nachrangiger (um nicht zu sagen irrelevanter) Aspekt.

Was mich ebenfalls nervt, ist die Forderung, dass Transfrauen, die einen Penis haben, gefälligst Fraueneinrichtungen benutzen zu dürfen haben. Ich kann es verstehen, habe aber ein Problem: Trigger. Wenn ich in die Sauna gehe, weiß ich, dass da auch Männer (will heißen: Menschen mit Penis) sind. Ich bin vorbereitet, ich weiß das, alles gut. Wenn eine Transfreundin mit mir ins Schwimmbad ginge und wir in die Dusche gingen, wäre das für mich (bei anderen mag das anders sein) auch kein Problem. Ich weiß, dass sie einen Penis hat, ich bin vorbereitet. Wenn ich aber unvorbereitet in einem Schutzraum für Frauen einem Menschen mit Penis über den Weg liefe, würde es mich erst einmal von den Füßen holen, denn das ist ein Trigger. Ich bin damit ziemlich sicher nicht allein. So, und was machen wir jetzt? Wenn Duschkabinen vorhanden sind und man seine körperliche Reinigung in Abgeschiedenheit erledigen kann, wäre das für mich völlig okay. Nur plötzliche Begegnungen sind halt nichts, womit ich klarkomme. Wen trifft das schlimmer – mich oder die Transfrau, die sicher nicht vorhat, mich zu triggern? Und wenn Transfrauen mit männlichen Geschlechtsmerkmalen in die Herrendusche gezwungen werden, was passiert ihnen dann? Will ich daran schuld sein, dass sie dort getriggert werden? Sicher nicht. Das Problem ist also vielschichtiger als man auf den ersten Blick meinen sollte.

Und dann sind da auch noch diejenigen, die von Menschen mit Uterus, von Cervixbesitzerinnen und dergleichen reden. Das ist sicherlich gut gemeint. Soweit ich bisher sehen kann (ich habe jetzt nicht nachrecherchiert) sind die meisten dieser Leute Frauen. Es gibt dann auch noch Männer, die solche Geschlechtsteile ihr eigen nennen, sicher, und es gibt auch intersexuelle Menschen, ja, klar. Aber die meisten von uns sind eben nicht nur Besitzerinnen weiblicher Geschlechtsmerkmale, sondern in der Tat Frauen. Und mein Problem besteht, wenn ich mich nicht mehr Frau nennen soll, weil ich damit einen Transmann diskriminieren könnte. So weit geht die Liebe dann nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Transmänner das von mir verlangen würden. Meiner Erfahrung nach sind die, die das tun, größtenteils mit dem Geschlecht zur Welt gekommen, mit dem sie sich auch identifizieren und durchaus heterosexuell. Das ist aber nur meine Erfahrung, es mag auch alles ganz anders sein.

Zusammenfassend: Das Geschlecht anderer Leute interessiert mich im Alltag nicht und ich halte Leute wie die eingangs erwähnte Frau von Storch, die sich darüber Gedanken machen zu müssen meinen, für armselige Tröpfe. Mein Geschlecht hat im Alltag niemanden zu interessieren, ebensowenig meine sexuellen Vorlieben. Wichtig ist, wie gut wir uns verstehen, ob wir gut miteinander umgehen können und wie wir zusammenarbeiten. Das macht soziales Miteinander aus. Wenn mich das trans- oder queerfeindlich macht, dann ist das eben so.

Internationaler Tag gegen Genitalverstümmelung

Rasierklinge mit Blut

Vorneweg: Bei diesem Tag geht es um die „Beschneidung“ weiblicher Genitalien, die diverse Ausprägungen haben kann. Das zieht nach sich, dass viele Männer, denen aus religiösen oder kulturellen – also nicht medizinischen – Gründen die Vorhaut entfernt wurde, jedes Jahr wieder darauf aufmerksam machen, dass ihnen hier auch ein Trauma und ein Unrecht zugefügt wurde. Das ist richtig, aber es gibt Unterschiede. Fangen wir also mit den Frauen an, die haben heute einfach Vorrang.

Laut WHO gibt es vier Typen der Genitalbeschneidung bei Mädchen bzw. Frauen. Allen ist gemeinsam, dass Schleimhäute in der Vagina ganz oder teilweise entfernt werden; oft wird die Klitoris ganz oder teilweise entfernt. Männer können sich das ungefähr so vorstellen, als ob nicht nur die Vorhaut beschnitten würde, sondern auch gleich die Eichel ganz oder teilweise entfernt würde. Ich gehe jetzt nicht weiter auf die einzelnen Methoden ein, dazu gibt es genügend Quellen im Internet, die man in Suchmaschinen mit den Suchwörtern „Beschneidung“ und „Frauen“ findet.

Was erschreckend ist, ist die Tatsache, dass gut 80% der Beschneidungen von Menschen durchgeführt werden, die keinerlei medizinische Ausbildung haben. Auch Hygiene ist hier keinerlei Kriterium, ebensowenig Narkose. Werkzeuge sind Messer, Rasierklingen, Scheren, Glasscherben und ähnliches. Das Werkzeug wird weder desinfiziert noch wird es gereinigt, wenn es vorher bereits für die Beschneidung eines anderen Mädchens benutzt wurde. Das führt zur Übertragung von Krankheiten und Infektionen. Die Wunde wird dann mit Akaziendornen, Bindfäden, Tierdarm, Eisenringen oder ähnlichem verschlossen und mit Mitteln wie Asche, Kräutern, Pflanzensäften oder Blättern versorgt, um die Blutung zu stoppen.

Neben der langfristigen Einschränkung des sexuellen Empfindens sind hier vor allem Sepsis, Fisteln, Zysten, Infekte des Harntrakts und Störungen der Blasenentleerung Komplikationen, die erwartet werden können. Zudem sind Mädchen vom Kleinkindalter bis in die Pubertät betroffen. Das Trauma, das eine derart schmerzhafte Prozedur erzeugt, ist kaum zu ermessen.

Langfristige Komplikationen ergeben sich vor allem bei den dann erwachsenen Frauen, denn der Geschlechtsverkehr ist oft sehr schmerzhaft und auch unter der Geburt gibt es vielfache Probleme, die ohne „Beschneidung“ nicht vorhanden wären.

Nun stehen Gesetzgeber und Gesellschaften vor demselben Dilemma, das es auch bezüglich der Beschneidung von Jungen gibt: Natürlich kann man das alles verbieten und unter Strafe stellen. Grundsätzlich sind medizinisch nicht notwendige Eingriffe in den Körper zu vermeiden. Das hält aber Menschen, die ihre Kinder aus traditionellen, gesellschaftlichen oder religiösen Gründen solch grausamen Prozeduren unterziehen, nicht davon ab. Der Grund ist, dass das eine gesellschaftliche Ächtung des Kindes oder gleich der ganzen Familie zur Folge haben kann. Man wird ausgestoßen aus dem sozialen Kreis, in dem man sich befindet. Das kann man eventuell in einer Großstadt hinnehmen, nicht aber in einem Dorf, in dem jeder jeden kennt und alle alles wissen. Und so ist die einzige Methode, die hier zur Verfügung steht, die Aufklärung. Die erweist sich aber als schwierig, denn Mythen leben entsetzlich lange und Menschen klammern sich an sie – das sehen wir derzeit auch sehr gut an der „Diskussion“ um Corona, Impfungen und weitere Maßnahmen.

Fest steht, dass eine Beschneidung, egal ob bei Mädchen oder bei Jungen, keinerlei hygienische Vorteile hat. Im Gegenteil: Jeder Eingriff birgt ein Infektionsrisiko, selbst wenn er unter sterilen Bedingungen im Krankenhaus von einem Arzt durchgeführt wird. Unter den oben beschriebenen Bedingungen ist das Infektionsrisiko kaum noch Risiko zu nennen – es handelt sich dabei eher um eine Infektion mit Sicherheit. Bei Mädchen besteht ein hohes Risiko, unfruchtbar zu werden. Außerdem sind natürlich Nierenschäden und schmerzhafte Infekte des Urogenitaltraktes an der Tagesordnung. Das Risiko, an der „Beschneidung“ zu versterben, ist für Mädchen ungleich höher als für Jungen, aber auch bei Jungen gibt es Komplikationen von Nekrosen über den Verlust des Penis bis hin zum Tod, ganz klar.

Insofern bitte ich alle Eltern, die darüber nachdenken oder sogar entschlossen sind, so eine Prozedur an ihrem Kind ausführen zu lassen: Lassen Sie es sein. Es ist einfach das Risiko nicht wert, egal, was die Gesellschaft, die Verwandtschaft, die religiösen Ratgeber sagen. Das Trauma, das entsteht, ist zu groß. Wenn Ihre Kinder erwachsen sind, können sie für sich entscheiden, ob sie so eine Prozedur an sich durchführen lassen wollen. So viel Zeit sollten sie ihnen geben.

Hausfrauentag

Hausfrau auf dem Balkon beim Wäsche aufhängen

Der kleine Kalender teilt mir mit, dass heute der Hausfrauentag ist. Hausfrauen sind Menschen, die immer noch mit der Arroganz der arbeitenden Bevölkerung leben müssen, weil sie ja „nichts tun“. Gut, es ist nicht die gesamte arbeitende Bevölkerung und es ist auch richtig, dass es Hausfrauen gibt, die tatsächlich nichts tun. Trotzdem sind da einige Vorurteile eingefahren, über die wir reden müssen – einerseits der Hausfrauen wegen, andererseits wegen der Frauen, die nicht zuhause bleiben wollen oder können.

Das Hausfrauendasein fängt üblicherweise harmlos an. Oft genug mit Heirat. Heiraten, verstehen Sie mich nicht falsch, ist schön. Es ist wunderbar, einen Menschen zu haben, auf den man sich so rückhaltlos verlassen kann, dass man ihm verspricht, immer für ihn da zu sein, komme, was da wolle. Und es ist so schön, selbst dieses Versprechen zu geben und die ganze Hoffnung und den Optimismus zu leben, die mit diesem Versprechen einhergehen. Die meisten Hausfrauen bleiben nicht direkt nach der Heirat zuhause, sondern erst, wenn das erste Kind da ist.

Was tut eine Hausfrau? Nun, sie verrichtet all die niederen Dienste, die von unserer Gesellschaft wirklich schlecht bezahlt und auch wenig gewürdigt werden. Jeder möchte sich gerne in einer sauberen Dusche waschen, niemand hat Lust, sie zu putzen. Jeder möchte gern drei Mahlzeiten täglich serviert bekommen, niemand hat Lust, sie zuzubereiten. Alle wollen die schöne Aussicht genießen, niemand mag die Fenster putzen. Hausfrauen organisieren die Familie, sorgen für saubere Wäsche, frisch bezogene Betten, saubere, aufgeräumte Wohnungen, warme und kalte Mahlzeiten, gepflegte Gärten, sie pflegen die kranken Familienmitglieder, sorgen dafür, dass alle pünktlich da sind, wo sie sein sollen und alles dabei haben, was sie brauchen, ob Schule, Sportverein, Ballettunterricht, Schwimmstunden oder Arbeitsplatz. Ein Unternehmen, das Staubsauger herstellt, warb mal mit dem schönen Spruch „Ich leite ein gutgehendes kleines Familienunternehmen“. Wie wahr.

Der Job einer Hausfrau hat viele Facetten; für manches braucht man wenig bis keine Vorkenntnisse, für anderes wie beispielsweise die Beaufsichtigung der Hausaufgaben der Kinder, sollte man zumindest wissen, wie es geht. Die Kommunikation nach außen und innerhalb der Familie liegt meistens auch bei den Frauen, ebenso wie die Verwaltung des Budgets. Das ist alles nicht ohne. Hausfrauen tun also sehr vieles, was wir gerne übersehen oder als Selbstverständlichkeit hinnehmen. Viele von uns sind damit aufgewachsen und unsere Mütter haben uns im Idealfall nicht merken lassen, wie anstrengend und herausfordernd diese Arbeit ist. Nichtsdestoweniger hat die Tatsache, dass Hausfrauen für ihre Tätigkeit nicht bezahlt werden, bei ihren Ehepartnern mitversichert werden und für Kindererziehungszeiten nur Rentenversicherungspunkte während der ersten drei Lebensjahre der Kinder bekommen, den Wert von Frauenarbeit gegen Null gedrückt. Das ist falsch, so falsch.

Was ist denn ein sauberes Büro, ein hygienisch einwandfrei gewischter Krankenhausflur, ein sauberes Treppenhaus und eine spiegelblanke Teeküche so wert? Das werden wir erst erfahren, wenn wir es nicht mehr haben. Wann hat das Reinigungspersonal zuletzt gestreikt, um Arbeitsbedingungen oder Bezahlung zu verbessern? Frauenarbeit, wertlos, Kampf um Anerkennung sinnlos, so sieht es aus. Was ist die Nachhilfe für das Kind, das Probleme in Mathemathik hat, wert? Warum werden Kindergartentanten, Hortpersonal und Grundschullehrer so schlecht bezahlt? Was macht die Arbeit der Gymnasiallehrerin wertvoller?

Wenn wir denen, die klassische „(Haus-)Frauenarbeit“ tun, das bezahlten, was sie wirklich wert sind, wir würden arm dabei. Und so leben tausende von Hausfrauen damit, dass sie nicht bezahlt werden für einen 24/7-Arbeitsplatz ohne Aussicht auf Verbesserung, Sekretärinnen, Friseurinnen, Reinigungskräfte, Servicepersonal, Verkäufer, Pflegekräfte müssen damit leben, dass ihre Arbeit nicht viel wert ist.

Ein Blick auf die Scheidungsquote in Deutschland zeigt auch, wie viele Menschen in Deutschland vor den Trümmern gebrochener Versprechen stehen und zusehen müssen, wie sie sich über Wasser halten. In Deutschland gab es 2020 2.088.000 alleinerziehende Mütter und 435.000 alleinerziehende Väter. Oft genug müssen diese Menschen gewaltige Abstriche machen, um überhaupt Erwerbsarbeit leisten zu können. Elternteile, die sich um Kinder kümmern müssen, gelten als Unsicherheitsfaktor. Sie können jederzeit ausfallen, wenn das Kind krank wird, deswegen kann man ihnen keine verantwortungsvolle Arbeit übertragen; wenn das Kind während einer Probezeit zu oft krank ist, beendet man den Vertrag lieber. Das ist das gute Recht der Arbeitgeber. Sie brauchen sicherlich verläßliche Arbeitskräfte, ganz klar. Es ist und bleibt kompliziert. Ich erwähne das alles auch nur, um zu illustrieren, dass die Entscheidung für ein Hausfrauendasein vielleicht nicht ganz so leichtfertig getroffen wird wie die Zyniker unter uns sich das denken – und manchmal ist es auch nicht wirklich ein selbstgewähltes Schicksal.

Ich vertrete schon sehr lange die Auffassung, dass die Arbeit von Frauen aufgewertet werden muss, vor allem im Kleinen. Es nützt uns nichts, wenn wir damit anfangen, den Konzernen eine Frauenquote für die Chefetage aufzuzwingen. Das bringt nur mehr Frauen mit betriebswirtschaftlichen Argumenten in die Chefetagen – und die wenigsten von ihnen denken über ihre Geschlechtsgenossinnen am unteren Ende der Karriereleiter nach. Nein, es geht darum, dass wir uns bewußt machen, was Frauen, gerade Hausfrauen leisten – und was uns gesellschaftlich verloren geht, wenn wir sie nicht in Anspruch nehmen können. Es braucht ein Bewußtsein für den Wert, den wirklichen, gesellschaftlichen Wert der Arbeit, die oft so verächtlich als „Frauenarbeit“ abgetan wird. Diese Frauen brauchen keinen Applaus, sie brauchen echte, ehrliche Anerkennung. Sie brauchen Rentenansprüche, sie brauchen eine dem unschätzbaren Wert ihrer Arbeit zumindest annähernd entsprechende Entlohnung. Sie brauchen keinen Muttertag, sie brauchen Selbstbewußtsein und Selbstverständnis.

So, wie viele Männer mit dem Selbstverständnis zur Arbeit gehen, für ihre Familie zu sorgen, indem sie genügend verdienen, sollten Hausfrauen das Selbstverständnis entwickeln, dass sie das erst möglich machen – und die Anerkennung der Gesellschaft dafür.

Beitragsbild: Valter Cirillo auf Pixabay

Ermittler, Richter – und dann auch noch Henker?

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Das Phänomen der Cancel Culture ist nicht wirklich neu. In Newsgroups, Foren und auf Message Boards kam es schon in den Anfangszeiten des Internet immer wieder einmal vor, dass Menschen für ihre Äußerungen öffentlich beschämt wurden. Der erste Fall, der mir in Erinnerung ist, war Justine Sacco, die auf ihrem Flug von New York nach Cape Town einen Tweet geschrieben hat, der innerhalb kürzester Zeit Wut und Empörung auf Twitter auslöste. Die Konsequenz war, dass sie, als sie in Cape Town aus dem Flugzeug stieg, keinen Arbeitsplatz mehr hatte, weil die empörten Twitter-User ihren Arbeitgeber informiert und auf ihre fristlose Kündigung gedrängt hatten. Dieser Erfolg hat die Gemeinschaft derer, die sich berufen fühlen, in sozialen Netzwerken für vermeintliche Gerechtigkeit anzutreten, derart beflügelt, dass sich daraus eine richtiggehende Kultur – eben die Cancel Culture – entwickelt hat.

Die freie Äußerung einer Meinung ist in Deutschland vom Grundgesetz garantiert. Sagen darf man hierzulande fast alles, man darf nachweisbare wissenschaftliche Erkenntnisse in Zweifel ziehen, man darf Rassist sein oder Misogynist. Alles das darf man – auch wenn es natürlich Konsequenzen nach sich zieht. Üblicherweise endet man, wenn man sich rassistisch, frauenverachtend, wissenschaftsfeindlich oder auf andere Weise gesellschaftlich nicht anerkannt äußert, in einer gewissen Isolation, die einem nur noch den Weg in Gruppen, die diese nicht anerkannten Meinungen teilen, übrig lassen. Nichtsdestoweniger ist die freie Meinungsäußerung so gestaltet, dass wirklich nur dann eingegriffen werden kann, wenn der, der sich äußert, sich dabei auch strafbar macht. Als krassestes Beispiel nenne ich die Leugnung des Holocaust.

Darüber hinaus findet die Meinungsäußerung ihre Grenzen in den Straftatbeständen der Beleidigung, der üblen Nachrede und der Verleumdung (der Gesamtkomplex dieser Straftaten findet sich in den §§185 – 200 des Strafgesetzbuchs). Diese Delikte werden nicht von Amts wegen verfolgt, hier muss derjenige, der glaubt, beleidigt oder verleumdet worden zu sein, Anzeige erstatten; man nennt das Antragsdelikt. Insgesamt ist dieser strafrechtliche Komplex etwas kniffelig, weil hier jeweils eine sorgfältige Würdigung stattfinden muss, die sicher auch den Zusammenhang, in dem die jeweilige Äußerung getätigt wurde, mit beleuchten soll.

Ein Kurznachrichtendienst hat das nicht nötig. Als Justine Sacco ihren Tweet absetzte, hatte man 140 Zeichen zur Verfügung, um seine Gedankenfetzen ins Internet zu blasen. In den seltensten Fällen schrieb jemand einen Thread (also mehrere Tweets, die zusammenhängend sozusagen an einem Faden [Thread] zusammenhängen), so dass praktisch jeder Tweet für sich allein stand und jeweils vom Leser so interpretiert werden konnte, wie der die Nachricht eben sah. Hat jemand nachgefragt, um die Äußerung einzuordnen? Natürlich nicht. Justine war im Flugzeug und hatte ihr Handy ausgeschaltet. Und selbst wenn sie sofort hätte gegensteuern können, hätten die aufgebrachten Twitter-User ihr vermutlich nicht geglaubt.

Diese Unart, Menschen in sozialen Medien für jede auch noch so dumme, unbedachte Äußerung zur Rechenschaft zu ziehen (neudeutsch: „call out“), bringt denen, die sich im Kreise der „Gerechten“ wähnen, ungefähr dieselbe Befriedigung wie weiland der Dorftratsche, die die ungeliebte Nachbarin der Hexerei bezichtigte – und wenn es möglich wäre, das Internet zu nutzen, um Menschen zu lynchen oder auf den Scheiterhaufen zu stellen, wäre das inzwischen gang und gäbe. Die gerechten Teilnehmer der sozialen Gerechtigkeitsliga ermitteln die Missetäter, sie legen die Strafe fest und hängen sie virtuell – indem sie dafür sorgen, dass diese Unmenschen ihren Arbeitsplatz verlieren, von ihrem sozialen Umfeld geächtet werden und letztlich isoliert dastehen.

Dass dieses Verhalten mittelalterlich ist, ist den meisten nicht bewußt. Sie hassen die Polizei, die „nichts tut“, sie misstrauen den Gerichten und sie machen die Social-Media-Gesetze, nach denen geurteilt wird. Sie prügeln Netzwerkdurchsetzungsgesetze durch, die ohne sie gar nicht notwendig wären, weil unsere Gesetze gut genug sind, wenn sie denn vernünftig angewendet würden. Und sie schämen sich auch nicht, wenn sich herausstellt, dass sie jemanden zu Unrecht den Arbeitsplatz gekostet haben, wenn sie den falschen Mann die Familie gekostet haben, denn sie sind die Gerechten und die eine oder andere falsche Hexe, die verbrannt wird, muss man halt in Kauf nehmen, wenn man alle Hexen erwischen möchte, nicht wahr?

Dieses Verhalten hat bedauerlicherweise vor allem auf die Regenbogenpresse abgefärbt. In der Hoffnung, als Erster zu berichten, den ersten Artikel vertwittern zu können, damit man die Aufmerksamkeit der Teilnehmer in den sozialen Medien und damit Klicks bekommt, wird oft auf ernsthafte Recherche verzichtet. Umgekehrt, wenn in Social-Media-Nachrichten Gerüchte in die Welt gesetzt werden, kann es gut und gern passieren, dass jemand sich plötzlich einem wirklich abscheulichen Vorwurf ausgesetzt sieht, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, was hier eigentlich los ist.

Und so lesen wir in Internet-Erzeugnissen von „Bild“ über „Spiegel“ und „Bunte“ bis hin zur „FAZ“, dass Menschen, die mehr oder weniger bekannt sind, ihre Frauen schlagen, ihre Männer betrügen, ihre Familien verlassen und ihre Fans enttäuschen. Manchmal kann man auch irgendwelche Gerichtsurteile einflechten, die man zwar nicht gelesen hat (ja, noch nicht einmal das Verfahren selbst verstanden hat), aber das macht nichts, solange die Empöreria der Gerechten klickt und teilt, was das Zeug hält. Das bringt Werbeeinnahmen, damit wird sehr, sehr viel Geld verdient.

Ja, und so rutschen wir in eine Desinformationsgesellschaft, denn was mit der Gattin des Präsidenten oder dem Sohn des bekannten Schauspielers klappt, das geht natürlich auch mit Wissenschaftlern und deren Erkenntnissen, das funktioniert mit Politikern, Regierungen, Stadtverwaltungen, Pharmaunternehmen und, und, und. Natürlich glaubt Lenchen, die den schönen Jüngling, der den Liebhaber in ihrer Lieblingssoap spielt, für einen verachtenswerten Vergewaltiger hält, nicht daran, dass in Impfstoffen von Bill Gates hergestellte Chips enthalten sind, das ist ja Blödsinn. Und Hagen, der sich schon deshalb nicht impfen lässt, weil er befürchtet, dass seine Gene verändert werden, ist überzeugt dass oben genannter Jüngling ein überaus guter Mensch ist, der keiner Fliege etwas zuleide tun könnte. Beide eint, dass sie glauben, was geschrieben steht und ihrer persönlichen Bezugswelt entspricht, verstärkt und multipliziert durch ihre Brüder und Schwestern im Geiste.

Ich fürchte, aus diesem Text spricht eine gewisse Bitterkeit. Ich bin bitter, das ist richtig. Es geht mir unsäglich auf die Nerven, wenn von „Hassrede“ (einer unjuristischen Bezeichnung für das englische Wort „Hatespeech“) gesprochen wird, wenn Gesetze mit glühend heißer Nadel gestrickt werden, um den Mob zu beruhigen. Ja, es ist vollkommen richtig, dass online gemobbt wird, dass einem schwindlig werden kann. Aber das ist tatsächlich ein gesellschaftliches Problem und ein Problem des Umgangs mit dem Medium.

Meinem Bildschirm kann ich alles sagen. Mein Bildschirm ist kein Mensch. Dass am anderen Ende der Leitung ein Mensch sitzen könnte, der mit dem, was ich in meiner Wut in die Textbox an meinem Bildschirm schreibe, nicht zurecht kommt, weiß ich nur in der Theorie. Und so ist ein sehr explosives Gegeneinander entstanden, eine Art Schlacht, in der jeder hingemetzelt wird, der irgendwie anders ist – und das, wo andernorts Diversity sonst großgeschrieben wird. Es ist sozusagen ein Krieg entstanden, in dem um die Hoheit über Meinung und Moral gekämpft wird.

Was da natürlich auch noch wirkt, ist der Gruppenzwang. Mich erinnert das tatsächlich an die Zeiten, da die Kirchen die Deutungshoheit über Moral und Wahrheit hatten. Die Hexenverfolgung habe ich ja schon genannt, da gab es aber noch einiges mehr. Empfohlen sei in diesem Zusammenhang die Lektüre des Buches „Eunuchen für das Himmelreich“ von Uta Ranke-Heinemann. Wir sollten immer im Hinterkopf haben, dass gewisse Verhaltensweisen seit Jahrhunderten, teils seit Jahrtausenden in unser Verständnis von menschlichem Zusammenleben eingebrannt sind und dass diese Verhaltensweisen nicht unbedingt gut für eine moderne, offene Gesellschaft sind.

So etwas verändert sich nicht über Nacht, auch nicht durch äußere Einflüsse oder Formalismen wie die Anpassung der Sprache. Wir laufen also immer Gefahr, auf uns selbst hereinzufallen und die sozialen Medien, die uns zur Verfügung stehen, machen es uns hier wirklich sehr leicht. Was kann uns da also helfen?

Für Medien und Berichterstatter wäre es doch mal quasi alternativlos, auf die guten, alten Regeln für Berichterstattung zurückzugreifen: Mindestens zwei, besser drei seriöse Quellen. Twitter, Facebook oder Instagram können nur dann als Quelle gelten, wenn sichergestellt ist, dass der Accountinhaber sich zitierfähig äußert. Wenn man also so ein Gerücht findet, sollte man nachsehen, ob es irgendwo verläßliche Bestätigungen gibt. Außerdem wäre es meiner Ansicht nach gut, Bericht zu erstatten, wenn es denn etwas zu berichten gibt. Was nützt dem Leser das Wissen, dass gegen die berühmte Schauspielerin angeblich wegen Kaufhausdiebstahls ermittelt wird? Könnten wir die Ermittlungen vielleicht mal abwarten und erst berichten, wenn ein Ergebnis vorliegt? Wenn die schöne, nicht ganz so berühmte Schauspielerin gegen ihren geschiedenen Mann, ebenfalls Schauspieler, den Vorwurf erhebt, er habe sie geschlagen und regelrecht eingesperrt, dann ist das erstmal genau das: Ein Vorwurf, der nicht bestätigt ist. Wenn das aber in irgendeiner „Herzenszeitung“ berichtet wird, dann wird dieser Vorwurf zum Narrativ, zu einer Art Wahrheit und – schlimmer noch – er kann so stehenbleiben. Das liegt in der Pressefreiheit, die natürlich erlaubt, dass Schauspielerin A den Schauspieler B einer nachgerade widerlichen Straftat beschuldigt. Ob das jetzt wirklich wahr ist, ist relativ egal, sie hat das ja gesagt. Also: Vielleicht erstmal mit dem  Skandalgeschrei zurückhalten und abwarten, was bei der Story so rumkommt. Kriminell wird es, wenn dann Zivilklagen für Strafverfahren ausgegeben werden und in der Folge Menschen Straftaten nachgesagt werden, für die sie nie vor Gericht standen und schon gar nicht verurteilt wurden.

Für die aktiven Social-Media-Teilnehmer wäre es wirklich wichtig, vor dem Sprung auf die skandalöse Aussage erst einmal die Finger von der Tastatur zu nehmen und sich zu fragen, ob dieser Kommentar, dieser Retweet, diese Weiterverbreitung wirklich notwendig ist. Eine weitere gute Frage, über die man gerne vorher nachdenken darf, ist die, warum man sich über genau diese Meldung genau so aufregt. Welches Gefühl spricht dieser Tweet, dieser Post eigentlich an? Warum habe ich das Bedürfnis, jetzt sofort mit den unflätigsten Beschimpfungen zu reagieren und, wenn es mir möglich ist, der sozialen Zerstörung dessen, von dem die Rede ist? Ich weiß, die Überprüfung der eigenen Reaktionen und des eigenen Denkens ist sehr aus der Mode gekommen. Vielleicht wäre hier ja auch mal wieder eine gute Aufgabe für die Schulen, die Kinder und Jugendlichen nicht nur helfen sollten, Wissen zu erwerben, sondern auch umsichtiges Denken zu lernen.

Letzlich läuft es darauf hinaus, dass wir alle vornehmlich zwei Aufgaben haben: Tief durchatmen und ignorieren lernen. Nur weil alle irgendetwas sagen, heißt das nicht, dass das auch stimmt. Nur weil zwei Wissenschaftler völlig unterschiedliche Standpunkte haben, heißt das nicht, dass der, dessen Standpunkt mir nicht passt, auch der ist, der falsch liegt. Und dann sollten wir uns vor allem eins vor Augen halten: Nur weil etwas schriftlich niedergelegt ist, ist es nicht unbedingt wahr, auch wenn wir von Kindesbeinen an gelernt haben, dass das, was wir lesen können, richtig ist. Geduld haben, abwarten und sich für die Meinungsbildung Zeit lassen ist wichtiger als „ERSTER!“ rufen zu können.

Bleibt cool und seid im Zweifelsfall dann einfach mal Letzter.

Beitragsbild: Peter H auf Pixabay

Eindrücke vom Abzug aus Afghanistan

Ich bin außenpolitisch überwiegend mit Ahnungslosigkeit geschlagen, das vorweg. Jetzt schreibe ich trotzdem auf, was meine Eindrücke von den Ereignissen in Afghanistan sind. Das tue ich aus zwei Gründen: Das Internet ist voll von Leuten, die mir helfen können, meine Sichtweise zu korrigieren, falls das nötig ist und ich fürchte, dass ich mit dem, was ich sehe, nicht allein bin. Es wäre auch zuviel verlangt vom „Durchschnittsmenschen“, über derart komplexe außenpolitische Vorgänge vollumfänglich Bescheid zu wissen. Also los, fangen wir mit der ersten Erinnerung an, die ich an die Berichterstattung von diesem Kriegsgeschehen habe:

Horst Köhler, damals Bundespräsident, sagte am Rande eines Truppenbesuchs folgende, sehr wahre Worte:

„Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg.“

Das war der kommunikative Supergau, den ein Bundespräsident sich wirklich nicht leisten durfte und es hat Horst Köhler ja dann auch prompt den Job gekostet. Nichtsdestoweniger war die Einschätzung vollkommen korrekt. Keine Regierung dieser Welt wird sich an einem Krieg beteiligen, wenn es nicht um eigene Interessen geht. Das ist so, das war so – und das wird immer so sein. Hätten wir und unsere Aliierten für unseren Außenhandel und sonstigen Interessen freie Bahn gehabt, wäre die Herrschaft der Taliban nie in Gefahr gewesen. Jedenfalls nicht durch den Westen; der Konflikt hätte sich dort unter den Bürgerkriegsparteien abgespielt und wir hätten höchstens humanitäre Hilfe geschickt, niemals aber Militär, niemals Ausbilder.

So, das heißt für mich, dass dieser Einsatz folgende Ziele verfolgt haben muss:

  • Sicherstellung unserer wirtschaftlichen Präsenz in der Region
  • Sicherung von eventuell vorhandenen Rohstoffen in der Region
  • Ausbildung von Polizei und Armee zum Schutz unserer Interessen (Industrieanlagen, Lager, dgl.) in der Region

Dass man nebenher das Feigenblatt des humanitären Einsatzes noch vor die empfindlichen Stellen des Regierungskörpers halten konnte, war sehr praktisch. Dumm, dass dieser Elefant im Porzellanladen von einem Bundespräsidenten damals so dämlich war, tatsächlich zu sagen, was Fakt war, und das auch noch zitierfähig. So etwas tut man nicht!

Wie humanitär unser Interesse an Afghanistan tatsächlich ist, sieht man an dem Truppenabzug. Der US-amerikanische Präsident zieht die Truppen entgegen aller Warnungen im Rekordtempo ab und innerhalb kürzester Zeit kommen die Taliban zurück nach Afghanistan. Das bedeutet eine lebensbedrohliche Katastrophe für

  • alle Mitarbeiter, die mit uns zusammengearbeitet haben (Ortskräfte)
  • Frauen und Mädchen
  • alle, die der radikalen Koranauslegung der Taliban nicht folgen
  • alle, die in das orthodoxe Raster der Taliban nicht passen

.

Wir haben, das haben inzwischen sogar einige unserer Politiker laut gesagt, eine Verpflichtung gegenüber den Menschen in Afghanistan, vor allen Dingen gegenüber den sogenannten Ortskräften. Sie haben uns in unserem Tun und für das Erreichen unserer Ziele unterstützt, das macht sie zu Verrätern in den Augen der Taliban und auf Verrat steht der Tod. Jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin der Botschaft, des Konsulats, Übersetzer für die Soldaten der Bundeswehr, alle, die handwerkliche Arbeit geleistet haben, sind genau dieser Gefahr ausgesetzt und sollten sie hingerichtet werden, so klebt ihr Blut an unseren Händen. Und nein, ich sage bewußt nicht „an den Händen unserer Regierung“. Eine Mehrheit von uns hat diese Leute gewählt, wir sind hier in einer Demokratie, also sind wir alle mitverantwortlich. Man kann sich nicht aussuchen, wann „wir“ die Guten, die Medaillengewinner, die Weltmeister, die helfenden Hände, die freundlichen EU-Nachbarn, sind und wann „die“ (Regierung, nämlich) die üblen Spießgesellen sind, die unsere Soldaten in den Krieg schicken, die Letzter werden oder vierter, die die einen Hilfsbedürftigen den anderen Hilfsbedürftigen vorziehen. Ganz oder gar nicht, das ist auch Teil der Demokratie, auch wenn viele Menschen das nicht begreifen wollen.

Die Taliban erklären jetzt, sie wären ja ganz andere Taliban als die, die vor 20 Jahren regelmäßig in Rachsucht und Gewalttätigkeit über die Menschen in Afghanistan hergefallen sind. Sie sagen, sie würden alles vergessen und verzeihen. In Kabul ist es momentan auch wohl erstaunlich ruhig. Das, was im Inland los ist, bekommen wir nicht mit. Trotzdem scheinen die Menschen sich zu fürchten. Clarissa Ward, die momentan für CNN vor Ort in Kabul ist, hat Stephen Colbert ein sehr interessantes Interview gegeben. Sie sagt:

So viele Menschen fühlen sich zurückgelassen, sie haben das Gefühl, links liegengelassen zu werden und sie sind zutiefst verängstigt und voller Bitterkeit.

Auf die Frage, ob das Gefühl bestünde, dass die Taliban niemanden von diesen Leuten [die die USA-Truppen unterstützt haben] außer Landes lassen würden, also grundsätzlich alle einsperren würden, sagt sie:

Ich denke nicht, dass dieses Gefühl jetzt schon besteht. Ich meine, die Taliban haben definitiv gesagt, bitte geht nicht, denn sie wissen, dass aus der PR-Perspektive heraus diese Bilder von diesen Menschenmassen, die sich verzweifelt an die Flugzeuge der US-amerikanischen Luftwaffe klammern, um außer Landes zu kommen, sie nehmen wahr, dass das wirklich schlecht für sie aussieht und sie versuchen in diesem Mement zu signalisieren, dass sie eine andere Art von Taliban sind, dass sie regieren können, dass sie diplomatischer sind und deshalb wollen sie offensichtlich keine Szenen auf dem Boden, die diesem Narrativ direkt entgegenstehen. Ich habe noch nicht das Gefühl, dass sie Menschen direkt am verlassen des Landes hindern wollen, aber das ist offensichtlich die große Angst.

Die andere große Angst ist, dass sobald die Amerikaner zusammengepackt und die Zugbrücke hochgezogen haben, wie werden die Afghanen, die mit den Vereinigten Staaten zusammengearbeitet haben, wie wickeln sie den Papierkram ab, reichen dieses Dokument ein, mit wem können sie sprechen? Diese Leute dachten, sie hätten mehr Zeit, um sich auf diesen Moment vorzubereiten, vielleicht Monate. Es waren Stunden.

Die Antwort auf die nächste Frage ist das, was mich auch bewegt. Stephen Colbert fragte, was die Menschen in Afghanistan, die mit den Amerikanern und der amerikanischen Präsenz gelebt haben, über den amerikanischen Rückzug und die Amerikaner jetzt denken. Clarissa Ward sagte dazu:

Wissen Sie, ich denke das ist ein wirklich wichtiger Punkt für die Afghanen, mit denen ich gesprochen habe; sie werfen Amerika nicht vor, sich aus Afghanistan zurückzuziehen. Sie haben von Amerika nicht erwartet, weiter jahrzehntelang den Krieg eines anderen Landes zu führen und sie verstehen vollkommen, dass das afghanische Volk die Verantwortung für sein eigenes Land übernehmen muss. Aber wo die Bitterkeit, die Traurigkeit, wo die Angst herkommt, ist die Art, in der dieser Rückzug ausgeführt wurde, das Chaos darin, die Eile, die Tatsache, dass den Taliban während dieser Verhandlungen nicht mehr Zugeständnisse abgerungen wurden, daher kommt der Kummer, daher kommt die Bitterkeit und daher kommt die Wut.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Gefühle gegenüber den Deutschen wesentlich anders sind. Und ich kann das gut verstehen. Was das für die Zukunft der Region heißen mag, für die weltweite Sicherheitsstruktur, ist wohl wirklich kaum absehbar. Wie viele Afghanen werden sich wohl schon aus Enttäuschung und Wut gegen den Westen, gegen die NATO wenden?

Ein Thema, das mich besonders besorgt, ist die Frage, was wohl aus den Frauen und Mädchen wird. Die Taliban sind Muslime, ja. Da gibt es, ebenso wie bei den Christen, Abstufungen, Schattierungen. Die Taliban gehören wohl zu den konservativsten, othodoxesten Muslimen überhaupt. Frauen haben es da schwer, wenn sie sich nicht damit abfinden möchten, wie Dinge behandelt zu werden. Schon jetzt kursieren Bilder von Taliban, die sich unter den Mädchen, die sie vorfinden, eine Frau aussuchen und einfach mitnehmen. Ehefrauen sind in diesem Zusammenhang eher so etwas wie Sklavinnen, die für die Zufriedenheit des Mannes zuständig sind. Mädchen zur Schule zu schicken gilt als sündhaft. Clarissa Ward erwähnte, dass man auf den Straßen praktisch keine Frauen mehr sieht, dass sie aus Angst vor Repressalien zuhause bleiben. Nach 20 Jahren, in denen ja auch Kinder geboren wurden und in einem gänzlich anderen Klima heranwuchsen, scheint das erstaunlich. Den Taliban scheint dort also ein Ruf vorauszueilen, der Angst und Schrecken verbreitet, auch wenn sie jetzt sagen, sie wären anders. Moderner? Besser? Sie werden das beweisen müssen.

Der US-amerikanische Präsident Biden sagte, die Truppen seien nach Afghanistan geschickt worden, um weitere Anschläge wie den vom 11. September 2001 zu verhindern und dieses Ziel sei nun erreicht. Wie weit ist dieses Ziel erreicht, wenn genau die Menschen, die für diesen und viele weitere Anschläge verantwortlich gemacht wurden, jetzt wieder das Land beherrschen? Können wir sicher sein, dass wir keine Renaissance des radikalen Islamismus erleben? Ich denke, dass wir das nicht sein können, vor allem, wenn man bedenkt, wie rasend schnell die Taliban nach dem Truppenabzug das Land wieder in Besitz genommen haben.

Bei ihrem Vormarsch haben die Taliban auch Biometrie-Geräte und -Datenbanken erbeutet, die durchaus auch darauf abgespeicherte Daten enthalten. Wir dürfen uns nicht der Vorstellung hingeben, dass diese Menschen, nur, weil sie sich fransige Bärte wachsen lassen und Kleidung tragen, die wir in längst vergangenen Zeiten verorten, nicht mit moderner Technik umgehen können. Sie haben militärisches Gerät, das das afghanische Militär von den USA bekommen hat, sie haben Piloten, sie haben nicht nur die Technik, sie haben die Bildung, um mit der Technik umzugehen.

Nein, ich denke nicht, dass dass das afghanische Militär nicht mit entsprechenden Geräten hätte ausgerüstet werden dürfen und ich denke auch, dass die Soldaten mit dem Gerät umgehen können. Aber um es dann auch einzusetzen, brauchen Soldaten nicht nur Wissen und Können, sondern auch den entsprechenden Kampfgeist. Ich fürchte, den haben wir ihnen durch diesen völlig überstürzten Abzug genommen.

Ich hoffe sehr, dass uns das nicht auf die Füße fällt. Und noch mehr hoffe ich, dass das den Afghanen und den Menschen in ihrer Region nicht auf lange Sicht schlimmen Schaden zufügt. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.