Geschlechtsfragen

Unter dem Hashtag #solidaritätmittessa wird auf Twitter die Diskriminierung von Transfrauen diskutiert. Anlass ist die Debatte zum internationalen Frauentag am 8. März. Im Rahmen der Debatte äußerte sich Frau von Storch in sattsam bekannter, wirklich diskriminierender Art und griff Tessa Ganserer, eine Abgeordnete der Grünen, massiv an – weil sie transgender ist.

Über Frau von Storch kann ich mich nicht mehr aufregen, dazu ist mir wirklich meine Zeit zu schade. Ja, ich weiß, eigentlich müsste ich mich hier länglich über die Gülle auslassen, die sie über dem Haupte all derer auskippt, die nicht ihrer Meinung sind. Ich lasse es. Dazu gibt es im Internet genug zu lesen und ich will dieser Frau nicht mehr Raum bieten als sie sowieso schon hat.

Dummerweise habe ich meine Probleme mit einem hartgesottenen Grüppchen vorwiegend biologisch und sozial weiblicher Kämpfer für soziale Gerechtigkeit, die das soziale Geschlecht nutzen, um Keile zu treiben – und bin deswegen mal wieder auf mich selbst reingefallen. Anlass war ein Tweet mit folgender Aussage:

Ich soll einen biologischen Mann als Frau bezeichnen, gleichzeitig soll ich mich als ‚Mensch mit Uterus‘ bezeichnen lassen und akzeptieren, dass Menschen mit Penis in Frauenschutzräume eindringen dürfen.
Einfach nur noch ‚Nein‘

So wird das nix.

#SolidaritaetMitTessa

Zugegeben, ich hatte mich mit dem Problem, das die Äußerungen über Tessa Ganserer erzeugt hatte, nicht wirklich beschäftigt, hatte auch die Debatte im Bundestag zu dem Thema weitgehend ignoriert. Das war ein Fehler, vor allem, was den Retweet anbelangt. Fangen wir also mit der Ecke an:

Liebe Frau Ganserer, es tut mir wirklich leid, wenn der Eindruck entstanden sein sollte, dass ich die Identität, die Sie für sich gewählt haben, nicht anerkennen würde. Das ist ganz bestimmt nicht der Fall. Mich regt etwas ganz anderes auf.

Und jetzt zum aufregenden Teil der Geschichte:

Ich oute mich jetzt mal als sprachlich konservativ. Das heißt, dass ich keinen Sinn darin sehe, die Sprache als Veränderungsmechanismus für gesellschaftliche Probleme zu nutzen. Dass ich damit zwar nicht ganz allein, aber auch nicht unbedingt in der Überzahl bin (vor allem in sozialen Medien), ist mir klar. Grundsätzlich ist mein Motto „Leben und leben lassen“ – wer findet, dass es ihn (oder sie) weiterbringt, wenn Wörter Binnen-Is, Gendersternchen oder sonstige Sonderzeichen enthalten, die dafür sorgen, dass sich alle mitgemeint fühlen, soll das halt machen. Ich muss ja nicht lesen, was diese Menschen schreiben, insofern ist das schon ok. Das einzige, was mich daran wirklich stört, ist die fehlende Rücksichtnahme auf Menschen mit Behinderungen, beispielsweise Blinde und Legastheniker, die damit nicht unbedingt gut zurechtkommen. Das habe ich schon oft angesprochen, wurde deswegen auch oft frauenfeindlich oder queerfeindlich genannt – nun, dann ist das so. Ich finde es rücksichtslos, auf Kosten einer Gruppe auf eine andere Rücksicht zu nehmen. Wenn das „feindlich“ sein soll, ja, dann bin ich wohl „feindlich“. Ich selbst schreibe und spreche meistens mit dem generischen Maskulinum, wenn ich alle meine. Das muss niemand akzeptieren, das darf gerne angeprangert werden, für mich ist es die einfachste Methode.

Neuerdings hat man sich im ZDF wohl auch darauf geeinigt, das Binnen-I (oder den Genderstern, wie auch immer) mitzusprechen. Für mich hört sich das an, als hätte der Sprecher (bzw. die Sprecherin) Schluckauf. Ich stolpere regelmäßig darüber und hänge dann dem, was mir vermittelt werden soll, ein Stück hinterher. Aber auch hier: Ich muss ja nicht. Vielleicht gewöhne ich mich ja auch irgendwann daran. Heißt: Es stört mich, sicherlich. In der Aufnahme von Informationen, im Lesefluß. Manchmal nervt es mich. Normalerweise lasse ich die Leute, aber wenn mich das zum Feind macht, siehe oben.

Wofür ich kein Verständnis habe, sind Toleranzforderungen, die an mich herangetragen werden (ebenfalls aus sozialen Medien heraus). Es gibt einfach Toleranzen, die ich nicht leisten kann. So wurde mir erklärt, dass ich mit einer Frau, die sich als Mann definiert, sexuellen Umgang haben müsste, weil ich sonst transfeindlich wäre. Nun, ich bin definitv heterosexuell und auch etwas prüde. Das bedeutet, dass ich eben nicht mit jedem Sex haben möchte, der mir so über den Weg läuft. Voraussetzungen für Sex sind bei mir Liebe und Vertrauen. Sehr großes Vertrauen, übrigens. Das bedeutet, dass ich noch nicht mal mit jedem biologischen Mann, der sich als solcher definiert, Sex haben möchte. Die Anzahl dieser Männer ist tatsächlich ausgesprochen klein (derzeit liegt sie bei 0). Und mit wem ich Sex habe, geht eigentlich auch keinen etwas an. Würde mich jetzt also ein Transmann zum Sex bewegen wollen, würde der vermutlich auf Granit beißen. Das hat mit Trans oder nicht Trans nichts zu tun. Es hat was damit zu tun, dass Vertrauen aufgebaut werden muss und das geht nicht im Verlauf eines Kneipengesprächs.

Insgesamt ist Sex – und damit das biologische oder soziale Geschlecht – meiner Mitmenschen größtenteils vollkommen uninteressant. Viel wichtigere Fragen sind: Mag ich diesen Menschen? Kann ich mit diesem Menschen gut zusammenarbeiten? Verstehe ich mich mit diesem Menschen gut? Und da ist sowohl Sex als auch Geschlecht ein vollkommen nachrangiger (um nicht zu sagen irrelevanter) Aspekt.

Was mich ebenfalls nervt, ist die Forderung, dass Transfrauen, die einen Penis haben, gefälligst Fraueneinrichtungen benutzen zu dürfen haben. Ich kann es verstehen, habe aber ein Problem: Trigger. Wenn ich in die Sauna gehe, weiß ich, dass da auch Männer (will heißen: Menschen mit Penis) sind. Ich bin vorbereitet, ich weiß das, alles gut. Wenn eine Transfreundin mit mir ins Schwimmbad ginge und wir in die Dusche gingen, wäre das für mich (bei anderen mag das anders sein) auch kein Problem. Ich weiß, dass sie einen Penis hat, ich bin vorbereitet. Wenn ich aber unvorbereitet in einem Schutzraum für Frauen einem Menschen mit Penis über den Weg liefe, würde es mich erst einmal von den Füßen holen, denn das ist ein Trigger. Ich bin damit ziemlich sicher nicht allein. So, und was machen wir jetzt? Wenn Duschkabinen vorhanden sind und man seine körperliche Reinigung in Abgeschiedenheit erledigen kann, wäre das für mich völlig okay. Nur plötzliche Begegnungen sind halt nichts, womit ich klarkomme. Wen trifft das schlimmer – mich oder die Transfrau, die sicher nicht vorhat, mich zu triggern? Und wenn Transfrauen mit männlichen Geschlechtsmerkmalen in die Herrendusche gezwungen werden, was passiert ihnen dann? Will ich daran schuld sein, dass sie dort getriggert werden? Sicher nicht. Das Problem ist also vielschichtiger als man auf den ersten Blick meinen sollte.

Und dann sind da auch noch diejenigen, die von Menschen mit Uterus, von Cervixbesitzerinnen und dergleichen reden. Das ist sicherlich gut gemeint. Soweit ich bisher sehen kann (ich habe jetzt nicht nachrecherchiert) sind die meisten dieser Leute Frauen. Es gibt dann auch noch Männer, die solche Geschlechtsteile ihr eigen nennen, sicher, und es gibt auch intersexuelle Menschen, ja, klar. Aber die meisten von uns sind eben nicht nur Besitzerinnen weiblicher Geschlechtsmerkmale, sondern in der Tat Frauen. Und mein Problem besteht, wenn ich mich nicht mehr Frau nennen soll, weil ich damit einen Transmann diskriminieren könnte. So weit geht die Liebe dann nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Transmänner das von mir verlangen würden. Meiner Erfahrung nach sind die, die das tun, größtenteils mit dem Geschlecht zur Welt gekommen, mit dem sie sich auch identifizieren und durchaus heterosexuell. Das ist aber nur meine Erfahrung, es mag auch alles ganz anders sein.

Zusammenfassend: Das Geschlecht anderer Leute interessiert mich im Alltag nicht und ich halte Leute wie die eingangs erwähnte Frau von Storch, die sich darüber Gedanken machen zu müssen meinen, für armselige Tröpfe. Mein Geschlecht hat im Alltag niemanden zu interessieren, ebensowenig meine sexuellen Vorlieben. Wichtig ist, wie gut wir uns verstehen, ob wir gut miteinander umgehen können und wie wir zusammenarbeiten. Das macht soziales Miteinander aus. Wenn mich das trans- oder queerfeindlich macht, dann ist das eben so.

Internationaler Tag gegen Genitalverstümmelung

Rasierklinge mit Blut

Vorneweg: Bei diesem Tag geht es um die „Beschneidung“ weiblicher Genitalien, die diverse Ausprägungen haben kann. Das zieht nach sich, dass viele Männer, denen aus religiösen oder kulturellen – also nicht medizinischen – Gründen die Vorhaut entfernt wurde, jedes Jahr wieder darauf aufmerksam machen, dass ihnen hier auch ein Trauma und ein Unrecht zugefügt wurde. Das ist richtig, aber es gibt Unterschiede. Fangen wir also mit den Frauen an, die haben heute einfach Vorrang.

Laut WHO gibt es vier Typen der Genitalbeschneidung bei Mädchen bzw. Frauen. Allen ist gemeinsam, dass Schleimhäute in der Vagina ganz oder teilweise entfernt werden; oft wird die Klitoris ganz oder teilweise entfernt. Männer können sich das ungefähr so vorstellen, als ob nicht nur die Vorhaut beschnitten würde, sondern auch gleich die Eichel ganz oder teilweise entfernt würde. Ich gehe jetzt nicht weiter auf die einzelnen Methoden ein, dazu gibt es genügend Quellen im Internet, die man in Suchmaschinen mit den Suchwörtern „Beschneidung“ und „Frauen“ findet.

Was erschreckend ist, ist die Tatsache, dass gut 80% der Beschneidungen von Menschen durchgeführt werden, die keinerlei medizinische Ausbildung haben. Auch Hygiene ist hier keinerlei Kriterium, ebensowenig Narkose. Werkzeuge sind Messer, Rasierklingen, Scheren, Glasscherben und ähnliches. Das Werkzeug wird weder desinfiziert noch wird es gereinigt, wenn es vorher bereits für die Beschneidung eines anderen Mädchens benutzt wurde. Das führt zur Übertragung von Krankheiten und Infektionen. Die Wunde wird dann mit Akaziendornen, Bindfäden, Tierdarm, Eisenringen oder ähnlichem verschlossen und mit Mitteln wie Asche, Kräutern, Pflanzensäften oder Blättern versorgt, um die Blutung zu stoppen.

Neben der langfristigen Einschränkung des sexuellen Empfindens sind hier vor allem Sepsis, Fisteln, Zysten, Infekte des Harntrakts und Störungen der Blasenentleerung Komplikationen, die erwartet werden können. Zudem sind Mädchen vom Kleinkindalter bis in die Pubertät betroffen. Das Trauma, das eine derart schmerzhafte Prozedur erzeugt, ist kaum zu ermessen.

Langfristige Komplikationen ergeben sich vor allem bei den dann erwachsenen Frauen, denn der Geschlechtsverkehr ist oft sehr schmerzhaft und auch unter der Geburt gibt es vielfache Probleme, die ohne „Beschneidung“ nicht vorhanden wären.

Nun stehen Gesetzgeber und Gesellschaften vor demselben Dilemma, das es auch bezüglich der Beschneidung von Jungen gibt: Natürlich kann man das alles verbieten und unter Strafe stellen. Grundsätzlich sind medizinisch nicht notwendige Eingriffe in den Körper zu vermeiden. Das hält aber Menschen, die ihre Kinder aus traditionellen, gesellschaftlichen oder religiösen Gründen solch grausamen Prozeduren unterziehen, nicht davon ab. Der Grund ist, dass das eine gesellschaftliche Ächtung des Kindes oder gleich der ganzen Familie zur Folge haben kann. Man wird ausgestoßen aus dem sozialen Kreis, in dem man sich befindet. Das kann man eventuell in einer Großstadt hinnehmen, nicht aber in einem Dorf, in dem jeder jeden kennt und alle alles wissen. Und so ist die einzige Methode, die hier zur Verfügung steht, die Aufklärung. Die erweist sich aber als schwierig, denn Mythen leben entsetzlich lange und Menschen klammern sich an sie – das sehen wir derzeit auch sehr gut an der „Diskussion“ um Corona, Impfungen und weitere Maßnahmen.

Fest steht, dass eine Beschneidung, egal ob bei Mädchen oder bei Jungen, keinerlei hygienische Vorteile hat. Im Gegenteil: Jeder Eingriff birgt ein Infektionsrisiko, selbst wenn er unter sterilen Bedingungen im Krankenhaus von einem Arzt durchgeführt wird. Unter den oben beschriebenen Bedingungen ist das Infektionsrisiko kaum noch Risiko zu nennen – es handelt sich dabei eher um eine Infektion mit Sicherheit. Bei Mädchen besteht ein hohes Risiko, unfruchtbar zu werden. Außerdem sind natürlich Nierenschäden und schmerzhafte Infekte des Urogenitaltraktes an der Tagesordnung. Das Risiko, an der „Beschneidung“ zu versterben, ist für Mädchen ungleich höher als für Jungen, aber auch bei Jungen gibt es Komplikationen von Nekrosen über den Verlust des Penis bis hin zum Tod, ganz klar.

Insofern bitte ich alle Eltern, die darüber nachdenken oder sogar entschlossen sind, so eine Prozedur an ihrem Kind ausführen zu lassen: Lassen Sie es sein. Es ist einfach das Risiko nicht wert, egal, was die Gesellschaft, die Verwandtschaft, die religiösen Ratgeber sagen. Das Trauma, das entsteht, ist zu groß. Wenn Ihre Kinder erwachsen sind, können sie für sich entscheiden, ob sie so eine Prozedur an sich durchführen lassen wollen. So viel Zeit sollten sie ihnen geben.