Neues Jahr, neue Wege

Politik ist und bleibt ein anstrengendes Geschäft. Die meisten Leute können sich nicht vorstellen, dass Politik tatsächlich in der Hauptsache aus Reden, Zuhören, Konsens finden, wieder Reden, wieder Zuhören, Anträge formulieren, Anträge lesen, Anträge diskutieren, Anträge abstimmen besteht. Oft nehmen Menschen an, dass Veränderungen schnell gehen könnten (und müssten). Politik ist aber kein kleines, wendiges Dinghi, sondern eher ein sehr großes, sehr schwerfälliges Containerschiff. Die Anstrengung, so ein Schiff zu navigieren, ist groß und zehrt an den Kräften aller Beteiligten.

Deswegen haben wir uns hier auf das System der repräsentativen Demokratie geeinigt. Das Volk ist der Souverän, jeder einzelne von uns (solange wir über 18 Jahre alt sind und im Vollbesitz unserer geistigen Kräfte). Wir haben Parteien, in denen das, was von den dort mitarbeitenden Menschen als wichtige Ziele wahrgenommen wird, in Anträge gegossen wird, dann abgestimmt und dann für die Wähler als Programm präsentiert. Die Wähler könnten also tatsächlich informiert in Wahlen gehen und ihre Aufgabe als Souverän wahrnehmen. In der Praxis tun sie das nicht.

Jede Partei verteilt im Wahlkampf kleine Zettelchen (sogenannte Flyer), auf denen das Wichtigste aus dem jeweiligen Programm zu lesen ist. Meistens wandern diese Flyer ungelesen in Mülleimer oder bleiben irgendwo auf der Straße liegen. Die Entscheidung, wer gewählt wird, hängt überwiegend von Sympathie ab und davon, wofür eine Partei steht. Die SPD stand lange Zeit für Soziales, CDU und CSU für konservative Politik (vorsichtige Veränderungen, wenn überhaupt), die Grünen für Umweltpolitik, die FDP für freiheitliche Werte; etwas später kam dann die Linke hinzu, die als Nachfolger der SED-Diktatur wahrgenommen wurde (und teilweise noch wird). Was in den Programmen steht, interessiert die meisten Wähler  nicht, sie haben anderes zu tun.

Das verleitet die verantwortlichen Menschen innerhalb der Parteien oft dazu, anzunehmen, dass die Wähler mit dem, was in den Programmen steht, einverstanden wären. Insofern stößt Unmut, der in der Bevölkerung gegenüber der Politik entsteht, bei Politikern ganz oft auf vollständiges Unverständnis. Die Wähler fühlen sich hintergangen und machtlos, die Politiker fühlen sich im Recht, sie wurden schließlich gewählt. Es ist eine höchst unbefriedigende Situation.

Ich habe mich etwas mehr als zehn Jahre lang in diesem Geflecht aus Diskussion, Anträgen, Konferenzen, Parteitagen und Abstimmungen bewegt als Mitglied der Piratenpartei. Nachdem ich gleich zu Anfang, im März 2010, in ein Vorstandsamt gestolpert war, habe ich mich hauptsächlich organisatorisch betätigt – in der Piratenpartei hat ein Vorstand sich mit seiner Meinung zurückzuhalten. Bis 2018 hatte ich durchgehend Vorstandsämter inne, im Kreisverband, im Landesverband und auch im Bundesverband. Meine Aufgabe habe ich immer darin gesehen, den Mitgliedern der Parteibasis die Strukturen zu schaffen, innerhalb derer sie ihre Diskussionen ungestört führen, ihre Anträge formulieren und die notwendigen Informationen einholen können. Das ist mal mehr, mal weniger gelungen – vollumfänglich wird man das wahrscheinlich nie schaffen. Das wäre auch schlecht, denn unveränderliche Strukturen führen unweigerlich in die Versteinerung, insofern ist das ausgesprochen gut so.

Es waren sehr anstrengende Jahre und ich habe sehr viel Freude an der Parteiarbeit gehabt. In anderen Parteien, das weiss ich, sind die Strukturen deutlich starrer, von der Organisation der Arbeitsgruppen bis hin zu den Redelisten auf Parteitagen. Insofern bin ich dankbar, in so einem flexiblen Konstrukt gearbeitet zu haben. Von außen mag das chaotisch wirken, ich bin der Ansicht, dass das die einzige Möglichkeit ist, gesellschaftliche Veränderungen wahrzunehmen und mitzugehen. Meine Begeisterung für die Piratenpartei, so sehr ich manchmal auch schimpfe, hat also nicht nachgelassen.

Trotzdem ist der parteipolitische Weg nicht mehr meiner. Ich habe zu viel mit mir selbst zu tun, mit meinem Leben, damit, wieder einmal Steine abzuklopfen und neu aufeinander zu legen, mir ein neues Haus für mein Leben zu bauen. Das kommt vor, wenn man, wie es bei mir der Fall ist, häufig mit Veränderungen konfrontiert wird, familiäre Verpflichtungen einhalten will und selbst immer wieder andere, neue Wege durchs Leben finden muss. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mit den relativ losen Strukturen in der Piratenpartei gut  zurechtgekommen bin.

Ich bin zum 31.12.2019 ausgetreten, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wäre ich geblieben, ich wäre über kurz oder lang doch wieder in organisatorische Verantwortung gegangen, allein weil es mir Freude macht und es doch so einige Menschen in der Partei gibt, mit denen ich sehr gut und sehr gern zusammen arbeite. Mein politischer Einfluß auf die Partei war noch nicht einmal marginal – das war auch nie mein Anspruch. Mir war gute Zusammenarbeit über Flügel und Unterschiede hinweg wichtig. Ich bin froh, dass ich diese gut zehn Jahre in der Piratenpartei hatte. Ich habe ungeheuer viel gelernt, tatsächlich Freunde gefunden und auch dann Freude an der Mitarbeit gehabt, wenn ich das Gefühl hatte, mir würden mehr Steine in den Weg gelegt als notwendig.

Es ist Zeit, neue Wege zu gehen. Vielleicht engagiere ich mich irgendwann wieder politisch, eventuell in einer NGO – oder auch in einer Partei. Vielleicht gehe ich zu den Piraten zurück, wer weiß. Jetzt ist nicht die Zeit dafür. Ich wünsche den Piraten, vor allen Dingen unserem Europaabgeordneten Patrick Breyer, gutes Gelingen. Und: Ich bin nicht aus der Welt, Leute. Nur, weil ich den Verantwortungsklotz der Mitgliedschaft abgeworfen habe, heißt das nicht, dass ich ich nichts mehr mit den Piraten zu tun haben möchte.

Fortsetzung: Frauen und Politik

Neulich habe ich ja – eigentlich aus einem leicht verärgerten Reflex heraus – einen Blogbeitrag für Herrn Ramelow geschrieben. Er hat ihn gelesen, was mich sehr freut und seine Antwort seinerseits in einen Blogbeitrag („Keine Angst vor Parität“) gefasst, was mich noch mehr freut. Das Thema an sich ist aber noch nicht ausdiskutiert und so setze ich einfach mal an dieser Stelle fort.

Herr Ramelo schreibt sehr ausführlich über die Geschichte des Kampfs um Rechte, den Frauen führen mussten. Das ist alles sehr richtig und wir sollten uns immer an das erinnern, was für uns erkämpft wurde. Es gibt nicht viele Selbstverständlichkeiten. Ich selbst bin im Jahr 1965 geboren und habe beispielsweise den Streit um den Paragraphen 218 auf jeden Fall mitbekommen. Frauen haben sich in unserer Gesellschaft vieles erkämpfen müssen, was eigentlich selbstverständlich sein müsste und Marie Juchacz hatte sicherlich recht damit, dass die Frauen eigentlich keinen Dank schuldig sind, wenn ihnen Rechte zugestanden werden, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollten. Zumindest den Männern sind wir keinen Dank schuldig, die uns diese Rechte dann endlich eingeräumt haben.

Wem wir, die Frauen, die heute diese Rechte in Anspruch nehmen können, wirklich Dank schulden, das sind die Frauen, die das alles für uns durchgefochten haben. Und für uns gehen damit Verpflichtungen einher: Wir dürfen nicht auf der Stelle treten und wir dürfen uns nicht in eine passive Rolle drängen lassen. Die Herren der Schöpfung möchten gern mehr Frauen in der Politik? Ok, gern. Dann schlage ich vor, dass hinterfragt wird, warum tatsächlich deutlich weniger Frauen daran interessiert sind, sich (partei-)politisch zu engagieren. Parlamentarische und innerparteiliche Arbeit unterliegt ja immer einer gewissen Systematik. Vielleicht sind eher das die Schrauben, an denen man drehen muss, anstatt Vorschriften zu machen, die sich auf Anzahlen beziehen. Die Frage lautet also nicht „Wie können wir die Männer zwingen, mehr Frauen zuzulassen?“. Denn es ist ja nicht so, als ob scharenweise Frauen vorhanden wären, die gern Listenplätze, Vorstandsämter oder sonstige Partei- und Politikjobs haben wollen. Die Frage, die geklärt werden muss, ist die nach der Motivation von Frauen, sich politisch zu engagieren. Auf welchen Gebieten engagieren sich Frauen, wenn sie sich politisch engagieren? In welchen Zusammenhängen tun sie das? Ist die (partei-)politische Organisation, die Systematik, die hier gewachsen ist, Frauen abträglich? Welche Veränderungen braucht es, um mehr Frauen in Parlamente und politische Organisationen zu bringen? Wenn wir schon in diesen Bahnen denken müssen (was ich nicht gern tue), dann sind das Fragen, die beantwortet werden müssen, bevor überhaupt über Quoten geredet werden kann. Das wäre in meinen Augen fortschrittlich: Das bestehende System auf Fehler prüfen und diese Fehler zu bereinigen, anstatt es beizubehalten und nur mit einer Quote neu anzumalen. Zumindest dann, wenn wir ausschließlich binär denken, im Sinne von „es gibt Männer und Frauen und sonst nichts“.

Wirklich progressiv ist aber meiner Ansicht nach neben der Überprüfung unseres politischen Systems vor allem die Anerkennung der Tatsache, dass wir (und hier wiederhole ich mich) vorwiegend an dem Menschenbild in unserer Gesellschaft arbeiten müssen. Menschen sind zunächst vor allen Dingen einmal Menschen, das ist der gemeinsame Nenner. Unsere Gesellschaft arbeitet meiner Überzeugung nach viel zu intensiv an Trennung und Abgrenzung. Es bilden sich – vor allem in linken Gefilden, bedauerlicherweise – immer mehr Grüppchen, die ihre Sichtweise als die jeweils einzig Wahre betrachten. Wer anderer Ansicht ist, ja, wer auch nur der Ansicht ist, dass etwas nicht so funktionieren wird wie vorgeschlagen, der sieht sich sehr schnell unterirdischen Vorwürfen ausgesetzt. So werden die Gemeinsamkeiten der Menschen innerhalb der Gesellschaft immer weniger, es gibt immer mehr, was spaltet (letztlich tut die Aufteilung von zu repräsentierenden Menschen in Mann und Frau das ja auch). Es reicht nicht mehr, Feministin zu sein, nein: Man muss das auch auf die richtige Art und Weise sein. Ich bin an dieser Stelle froh, dass mir von Herrn Ramelow zugestanden wird, dass ich meine Ansicht habe, auch wenn er sie nicht teilen kann. Das ist absolut ok, damit kann ich fabelhaft leben.

Nichtsdestoweniger greifen Quoten meiner Ansicht nach grundsätzlich zu kurz und erziehen in die falsche Richtung. Ich fühle mich dabei, als würde mir die Fähigkeit aberkannt, für mich und meine Bedürfnisse einzustehen. Ich werde in einen geschützten Raum getrieben, in dem ich mich mit mit denen befinde, die von außen als meinesgleichen definiert werden, anstatt im allgemeinen Raum mit allen zu sein. Warum traut man mir, warum traut man das den Frauen nicht zu? Warum meint man, uns da helfen zu müssen – und dann auch noch auf diese Weise? Sorry, es ist einfach nicht mein Weg.

Zusammenfassend: Lasst uns doch einfach einmal anerkennen, dass die Menschen nicht einfach so in Mann/Frau-Kategorien einzuteilen sind. Sicher gibt es – speziell mit Blick auf die Familienpolitik – da geschlechtsspezifische Probleme, die zu lösen sind. Das rechtfertigt aber keinesfalls eine solche Einschränkung wie es diese „Paritätsgesetze“ nun einmal sind. Und sie werden der Gesamtheit der Frauen ebensowenig helfen wie die Frauenquote in Führungspositionen der Friseurin oder der Automechanikerin helfen wird. Die Quote trennt, sie sorgt für Hervorhebung von Unterschieden. Ich finde, wir sollten daran arbeiten, unsere Gemeinsamkeiten zu stärken. Lasst uns doch bitte da mal drangehen – zusammen.

Unter der Gürtellinie…

Bodo Ramelow, der Ministerpräsident Thüringens, ist mir eigentlich sehr sympathisch. Deswegen nehme ich mir heute mal die Zeit für einen etwas längeren Widerspruch auf einen Tweet, der mich neulich doch ein wenig geärgert hat:

Der Vergleich mit der AfD ist dann doch arg weit unter der Gürtellinie, lieber Herr Ramelow. Sicher, wir werden immer wieder mal bezichtigt, auf Frauen nicht genügend Rücksicht zu nehmen, nicht attraktiv genug für Frauen zu sein, eine reine Männerpartei zu sein. Nachdem wir in unserer Mitgliederdatenbank das Geschlecht der Mitglieder nicht erfassen (was geht das die Mitgliederverwaltung auch an?), kann ich Ihnen noch nicht einmal sagen, ob wir tatsächlich weniger Frauen unter unseren Mitgliedern haben als andere Parteien. Was ich weiß: Die Frauen in der Piratenpartei wissen, was sie wollen. Sie überlegen sich, ob sie einen Posten übernehmen oder für ein Mandat kandidieren möchten. Sie denken darüber nach, ob sie die Zeit und die Nerven haben, sich das anzutun. Und sie sagen auch sehr deutlich, innerhalb welchen Rahmens sie für die Partei tätig werden können.

Vielleicht liegt das daran, dass die Piraten es sich einfach nicht leisten können, für den Lebensunterhalt ihrer Vorstandsmitglieder oder Mandatsbewerber aufzukommen. Wir haben ein paar Angestellte, ja. Buchhaltung, IT und Geschäftsstelle wären ohne sie nicht zu bewältigen. Im Gegensatz zu den sogenannten „Volksparteien“ sind unsere Vorstände bis hoch zum Bundesvorstand aber ehrenamtlich tätig und bekommen nur ihre Reisekosten ersetzt.

Unter diesen Bedingungen kann einen so ein Parteijob – vor allem, wenn es darum geht, sich um ein Mandat zu bewerben – an den Rand der körperlichen, nervlichen und auch finanziellen Belastbarkeit bringen. Sicher, so ein Mandatsbewerber hat Anspruch auf unbezahlten Urlaub, um seinen Wahlkampf in Ruhe führen zu können. Das Problem ist das mit dem „unbezahlt“. Die Rechnungen flattern ja weiter ins Haus, die Ernährungslage muss weiterhin gesichert bleiben und wenn man unterwegs ist, reichen 24 Euro am Tag für Frühstück, Mittag- und Abendessen nur sehr knapp aus. Die erste Hürde, die zu nehmen ist, ist also eine finanzielle Hürde. Ich versichere Ihnen, lieber Herr Ramelow: Die Frauen in der Piratenpartei können rechnen. Und wenn sich eine entschließt, trotzdem zu kandidieren, dann tut sie das im Wissen darum, dass sie in diese Partei investiert ohne eine große Chance auf Erfolg und damit Kompensation. Das muss man leisten können. Unsere einzige weibliche Kandidatin für den Europawahlkampf, Sabine Martiny, hat sowohl zeitlich als auch finanziell den Rücken frei genug, um sich auf dieses Abenteuer einzulassen – und hat es genau deswegen auch getan.

Ich selbst wurde durchaus auch gefragt und habe abgelehnt. Die Gründe sind recht einfach: Ich habe von 2010 bis 2018 Vorstandsämter auf Kreis-, Landes- und Bundesebene innegehabt und diese Ämter so gut ausgefüllt wie ich irgend konnte. Ich habe 2013 für den Landtag in Bayern kandidiert (auf Listenplatz 4) und 2018 für den Bezirkstag Mittelfranken. Das alles habe ich sehr gern für meine Partei getan (und auch ein wenig für mich). Ich habe Infostände betreut, mir den Mund in Fetzen geredet, diskutiert und durchaus auch Menschen von unseren Inhalten überzeugt. Insofern habe ich mir nichts vorzuwerfen und finde, ich habe eine Pause verdient. Es gibt einige Parteikolleginnen, denen es genauso geht.

Es geht mir auch ziemlich auf die Nerven, dass regelmäßig ignoriert wird, dass wir durchaus sehr viel weibliches Führungspersonal aufzuweisen hatten und auch heute noch haben. Ich denke, Sie sollten dann schon mal wissen, wovon wir reden, wenn wir sagen, dass wir wirklich keine Quoten brauchen, herzlichen Dank. Der ganz überwiegenden Mehrheit meiner Parteikolleginnen ist es deutlich lieber, wegen ihrer Kompetenz gewählt zu werden als ihres Geschlechts wegen. So viel zum Thema „Frauen in der Piratenpartei“.

Nun noch allgemein zum Paritätsgesetz, das zwei wirklich schwere Fehler hat: Erstens werden innerhalb von Parteien voraussichtlich Frauen gedrängt, zu kandidieren – von Männern, die gerne einen Listenplatz haben wollen. Zweitens zementiert es eine sehr binäre Sichtweise. Wenn wir schon über Geschlechter reden, sollten wir uns vor Augen halten, dass es eben doch mehr als zwei Geschlechter gibt.

Aber ich denke, wir sollten über Menschen reden. Denn in unseren Parlamenten, möchte ich von Menschen vertreten werden, die eben auch kompetent sind in dem, was sie tun. Menschen, die nicht für 150 Millionen Euro im Jahr Berater brauchen und dann doch nichts richtig machen können. Menschen, die wissen, dass wir uns mitten in einem Umbruch befinden, der Arbeit vollkommen neu definieren wird. Menschen, die wissen, dass das brandgefährlich ist, dass das bittere Armut nach sich ziehen kann. Menschen, die wissen, was Meinungsfreiheit wert ist und nicht Schwächere für ihre unlauteren Zwecke missbrauchen. Menschen, die wissen, dass es die totale Sicherheit nicht gibt. Menschen, die wissen, dass Freiheit das höchste Gut ist, das wir überhaupt haben. Die sich kundig machen, technisch wie gesellschaftlich. Und diese Menschen dürfen dann auch sehr gern Piraten sein – wie Ute Elisabeth Gabelmann, ihres Zeichens Stadträtin der Piraten in Leipzig, die ich hier zitiere, weil sie genau das ausdrückt, was ich meine:

So, Herr Ramelow. Und jetzt wäre ich sehr dankbar, wenn Sie zukünftig von Totschlagvergleichen wie dem oben angeführten absehen könnten und zukünftig auch mal denen zuhörten, die Sie nicht vertreten können – aus Mangel an Geschlechtsorganen – anstatt nur auf eine kleine Teilmenge zu hören. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, denn vieles, was Sie sagen und tun, finde ich durchaus lobens- und bedenkenswert.

Tätigkeitsbericht

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Am 22.10.2017 stand ich in Regensburg auf der Bühne und habe gesagt, dass ich das Folgende tun möchte:

Organisation von vier Programmkonferenzen

Drei dieser vier Konferenzen haben wir durchgeführt, bei zweien war ich anwesend. Die Beteiligung war mäßig bis beschämend, nichtsdestoweniger wurde auf diesen Konferenzen intensiv gearbeitet. Wichtig war hier zunächst einmal nicht, etwas Neues zu erarbeiten, sondern das Vorhandene durchzuarbeiten. Das Ergebnis war, dass das Programm der Piratenpartei Redundanzen und Widersprüche enthält, die bereinigt werden sollten.
Eigentlich hätten hierzu noch Mumbletreffen stattfinden sollen; diese zu organisieren habe ich leider nicht geschafft. Das tut mir leid.
Die schriftliche Diskussion fand ab der zweiten Konferenz im Discourse statt. Die entsprechenden Diskussionsstränge hierzu sind dort auch nachzulesen.

Letztlich kann ich zusammenfassend sagen, dass das Interesse der aktiven Piraten an der Beschäftigung mit dem vorhandenen Programm doch sehr mäßig zu sein schient, wenn man in Betracht zieht, dass alle Termine Anfang des Jahres im Team PolGef-Mumble bekannt gegeben wurden. Ich hoffe, dass in Zukunft hier deutlich mehr Interesse herrschen wird, denn ein aufgeräumtes, übersichtliches Programm wird sicher dazu beitragen, sichtbar zu machen, wofür die Piraten stehen.

Die vierte Programmkonferenz wird noch stattfinden vom 23. bis 25. November des Jahres; hier findet gleichzeitig auch noch ein Treffen der Landes- und Bundes-IT statt. Ebenfalls wird es dort auch eine Fortbildungsveranstaltung der SG innerparteiliche Bildung geben zum Thema „Die politische Ökonomie des Kapitalismus für Einsteiger“.

Nachwuchsförderung

Das nächste, was ich in Angriff nehmen wollte, war die Förderung des Nachwuchses. Das ist leider etwas, was mir in keiner Weise gelungen ist; zwar war ich auf der Bundesversammlung der Jungen Piraten und habe mich auch auf dem Bundesparteitag mit einigen jungen Parteimitgliedern aus Sachsen unterhalten – dabei ist es aber leider geblieben.

Weitere Tätigkeiten

Ich hatte von vornherein gesagt, dass ich nicht viel Zeit in die Partei investieren kann und mich in der Folge nicht mit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit befassen wollte. Ich habe darauf bestanden, dass Lily das übernimmt, weil sie tatsächlich weiß, wie es geht – letztlich war in Sömmerda ja auch der MDR vor Ort und das wirklich nicht ohne Grund; das ist nur ein Beispiel dafür, dass Lily hier wirklich einiges erreicht hat.
Ich habe Lily am Anfang unserer Amtszeit in diesem Geschäftsbereich unterstützt; was wir vorgefunden haben, war ein vollkommen verlottertes Versandtool, in dem die unmöglichsten Kontakte in den einzelnen Kontaktkategorien vorhanden waren. Allein das hätte deutlich gepflegter sein müssen. Die Pressemeldungen waren sämtlich nicht übermäßig hilfreich. Letztlich muss man sagen, dass in diesem Bereich der Pressearbeit die Piratenpartei den Tagesereignissen hinterherlief. Eigene Themen wurden so gut wie nicht platziert. Die Meldungen an sich waren mittelmäßig formuliert, schwunglos, meistens zu lang, dafür wurden dann auch viel zu häufig Meldungen verschickt, die keinerlei Nachrichtenwert hatten. So haben wir uns an die Veränderung gemacht.

Das haben wir bedauerlicherweise nicht unmäßig geschickt getan, das sei zugestanden. Wir haben gerade in diesem Bereich einige Leute vor den Kopf gestoßen, weil wir tatsächlich Geschwindigkeit vor Freundlichkeit und Dank gesetzt haben. Das tut mir sehr leid und ich entschuldige mich bei denjenigen, die darunter gelitten haben ebenso wie bei allen Parteimitgliedern. Das hat nämlich dazu geführt, dass das Erstellen von Pressemeldungen in eine Art Kampf ausgeartet ist, von dem sich das Team bis jetzt noch nicht erholt hat. Das hätte nicht sein dürfen und nicht sein müssen, es war ein kapitaler Fehler.

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit besteht aber nicht nur aus dem Verfassen von Pressemeldungen, sondern vor allem darin, Kontakt zu Pressevertretern aufzunehmen und zu halten. Hier gab es für uns leider praktisch nichts zu übernehmen, also musste Lily hier bei Null anfangen. Das ist häufig so, wenn ein Wechsel stattfindet, denn niemand, der Pressekontakte hat, wird diese so einfach weitergeben. Hier hat Lily vorhandene Kontakte gepflegt und neue aufgebaut. Im Rahmen des Möglichen hat sie hier ausgezeichnete Arbeit geleistet.

Öffentlichkeitsarbeit ist vor allem Da-Sein; auch hier ist Lily zu loben, denn sie war auf einigen Events und hat dort einen doch sehr guten Eindruck für unsere Partei hinterlassen. Es ist also, wie es immer ist: Vieles ist nicht sichtbar, es hilft aber trotzdem. Ich bitte sehr, diese Punkte bei der Beurteilung unserer Politischen Geschäftsführerin zu berücksichtigen.

Im Sommer habe ich eine mehrwöchige Pause einlegen müssen und ab September den Großteil meiner Tagesaufgaben wie die Leitung des wöchtentlichen Team PolGef-Mumbles und des im zweiwöchigen Turnus stattfindenden Montagsmumbles des Bundesvorstands niedergelegt. Für letzteres lag der Grund in den Ereignissen rund um einen Tweet unserer Politischen Geschäftsführerin, der mindestens ungeschickt zu nennen ist.
Wenn hier jetzt aber jemand glaubt, dass ich ausschließlich aus Widerwillen gegen meine Vorstandskollegin den Hammer habe fallen lassen, dann irrt derjenige. Dass Lily ungeschickt twittert, wussten wir alle lange, bevor sie gewählt wurde. Sie selbst hat in ihrer Bewerbungsrede noch gesagt, dass sie daran nichts ändern wollen würde. Ich selbst war sicher nicht immer mit ihrer öffentlichen Kommunikation einverstanden, musste aber lernen, das hinzunehmen und notfalls auch damit zu leben, dass ich teils sehr emotional darauf angesprochen wurde. Das hat sehr viel Zeit und auch Kraft in Anspruch genommen, die ich für wesentlich Wichtigeres benötigt hätte.

Gerade der Tweet von Anfang September, der eine Kette von Ereignissen nach sich zog, die den Ruf der gesamten Partei nachhaltig zu schädigen geeignet waren, war aber einer, den man durchaus zum Wohle der Piratenpartei herunterkochen hätte müssen. Allein, einige Piraten, die bedauerlicherweise auch eine recht große Reichweite auf Twitter haben und zudem noch mit dem Journalisten, der angesprochen wurde, persönlich bekannt sind, haben sich entschieden, dies nun nicht hinzunehmen, sondern den Anlass zu nutzen, die politische Geschäftsführerin zwei Monate vor Ende ihrer Amtszeit lieber aus ihrem Amt zu drängen als einfach die beiden Monate abzuwarten und sich darauf zu konzentrieren, jemanden für das Amt zu gewinnen, der ihnen tatsächlich geeignet scheint.

So fanden meine Kollegen und ich uns in einer sehr unmöglichen Situation wieder. Insofern gilt mein Nicht-Dank für verfehlte Außenkommunikation im sozialen Netzwerk Twitter nicht nur, ja nicht einmal vorwiegend Lily, nein, er gilt auch Menschen innerhalb dieser Partei, die sich in einer durchaus herausgehobenen Position befinden und nichts besseres zu tun haben, als den Ruf der Partei zu beschädigen, um eine Person, die ihnen nicht passt, aus dem Amt zu entfernen.

Das war der Grund, aus dem ich dann, wie oben erwähnt, den Hammer habe fallen lassen; ich hatte schlicht kein Vertrauen mehr in die Menschen, mit denen ich vertrauensvoll zusammenarbeiten können muss, um meine Arbeit gut zu tun.

So blicke ich persönlich auf ein sehr durchwachsenens Jahr zurück, mit Trauer auf freundschaftliche Bande, die zerrissen wurden, mit Bedauern auf das, was ich nicht erreichen konnte und mit Freude auf das, was ich trotz aller Widerstände doch tun konnte.

Ich bedanke mich für das mir entgegengebrachte Vertrauen bei allen, die mich gewählt haben und bei denen, die eine gute Zusammenarbeit möglich machten, obwohl sie meinen Plänen misstrauisch gegenüberstanden.

Zum Schluss möchte ich noch an diejenigen erinnern, die mich immer gestützt und motiviert haben, leider aber nicht mehr bei uns sind: Michael Kittlaus, Michael Behrend und Klaus Sommerfeld. Ich bin unsagbar traurig, dass diese drei Piraten viel zu früh verstorben sind. Sie sind durch nichts und niemanden zu ersetzen und hinterlassen in meinem Leben eine große Lücke.